Vom Gipskorsett zur Hightech-Chirurgie

Verletzungen der Wirbelsäule im Wintersport

Dr. Pierre-Pascal Girod Facharzt für Neurochirurgie
Text: Dr. Pierre-Pascal Girod, Facharzt für Neurochirurgie

Egal ob beim Skifahren, Snowboarden oder Rodeln: Schon ein harmlos aussehender Sturz kann enorme Kräfte auf die Wirbelsäule ausüben.
Bei einem Aufprall aus zwei Metern Höhe wirken Kräfte, die das Achtfache des Körpergewichts übersteigen können. Rückenprotektoren schützen im Wesentlichen nur bei direkten Anpralltraumen. Im Interview mit Leben à la Carte erklärt Dr. Pierre-Pascal Girod, Facharzt für Neurochirurgie, welche Wirbelsäulenverletzungen auftreten können und wie die moderne Neurochirurgie sie therapiert.

Welche biomechanischen Faktoren führen zu Wirbelsäulenverletzungen?
Typisch sind axiale Belastungen – also Stöße entlang der Körperachse, etwa beim Sturz auf das Gesäß oder bei einer harten Landung nach einem Sprung. Dadurch kann der Wirbelkörper gestaucht oder sogar regelrecht zerborsten werden. Am öftesten betroffen und somit der „Schwachpunkt“ ist der Übergang zwischen Brust- und Lendenwirbelsäule (TH12–L2). 

Welche Verletzungen treten am häufigsten auf?
Die häufigsten Verletzungsmuster an der Wirbelsäule sind Kompressionsfrakturen, bei denen die Wirbel durch Stauchung keilförmig zusammengedrückt werden. Ebenfalls oft zu sehen sind Berstungsfrakturen, wo der Wirbelkörper in mehrere Teile zerbricht und Luxations- oder Distraktionsverletzungen, bei denen aufgrund extremer Biegebewegungen Wirbel und/oder Bänder zerrissen und verschoben werden.

Wie hat sie die Behandlung von Wirbelsäulenverletzungen verändert?
Noch vor wenigen Jahrzehnten mussten Patienten mit Wirbelsäulenbrüchen oft monatelang ruhiggestellt werden, meist in einem Streckbett oder Gipskorsett. Die Behandlung war langwierig und führte häufig zu Muskelschwund, Fehlstellungen und anhaltenden Schmerzen. Heute hat sich die Medizin entscheidend weiterentwickelt: Dank präziser Röntgen, CT- und MRT-Diagnostik lässt sich das Ausmaß der Verletzung heute exakt bestimmen und Eingriffe können gezielter durchgeführt werden.

Welche Eingriffe führt die Neurochirurgie heute durch?
Wirbelbrüche werden, wenn nötig, operativ aufgerichtet und fixiert, idealerweise schon kurz nach dem Unfall. Je nach Verletzung z. B. mithilfe minimal-invasiver moderner Schrauben-Stab-Systeme oder Zementierungen über eine Hohlnadel (Vertebroplastie/Kyphoplastie) – mit deutlich besseren Heilungschancen. Das Ziel ist die frühe Mobilisierung. Denn je eher sich der Patient wieder bewegt, desto besser sind die Heilungsaussichten und desto seltener sekundäre Komplikationen.