Stabile Scheibe

Therapie nach einem Teilersatz der Kniescheibe

Katja Hesch
Text: Katja Hesch

Häufig ist ein sogenannter „vorderer Knieschmerz“ das Leitsymptom einer Arthrose des Patellofemoralgelenks. Typisch sind Schmerzen am vorderen Knie beim Bergabgehen und beim Stiegen steigen. Durch muskuläre Dysbalancen und eine Schwäche der vorderen Oberschenkelmuskulatur kann das Zug- und Druckverhältnis im Bereich der Kniescheibe beeinflusst werden. Aber auch anatomische Gegebenheiten, wie z.B. X-Bein oder O-Bein wirken sich direkt auf die Kräfteverteilung zwischen Kniescheibe und Oberschenkelknochen aus. Multiple Patellaluxationen (Ausrenkungen der Kniescheibe) und Stürze auf das Kniegelenk in der Vergangenheit können ebenfalls ursächlich für die Entwicklung des Schmerzgeschehens sein. Zeigt sich, in Kombination mit den patellofemoralen Schmerzen, auch eine höhergradige Abnützung des Knorpels mit einer Verschmälerung des Gelenkspalts, kann ein Teilersatz des Patellofemoralgelenks indiziert sein.

Ausfallschritt / Kniebeugen einbeinig / Einbeinstand am Luftkissen

Der Vorteil eines Teilersatzes der Kniescheibe im Vergleich zu einer Totalendoprothese ist, dass die Prothese mit kleinen Schnitten in das Kniegelenk eingesetzt werden kann und die übrigen intakten Strukturen, wie z.B. Seitenbänder und Kreuzbänder, erhalten bleiben. Nach der OP kommt es zu einer schnelleren Genesung und die volle Beweglichkeit des Kniegelenks wird schneller erreicht.

Therapie

Bereits am ersten postoperativen Tag kann mit Gehübungen gestartet werden. Zu Beginn der Therapie stehen abschwellende Maßnahmen wie Lymphdrainage, Elektrotherapie (metallkompatibel) und passives Bewegen des Kniegelenks am Programm. Von Anfang an wird auch an der Aktivierung des vorderen Oberschenkelmuskels gearbeitet, um die volle Streckung im Kniegelenk wiederherzustellen. Dies kann mit Schwellstrom unterstützt werden. Nach Entfernung der Nähte ist die Mobilisierung der Narbe von großer Bedeutung. Der Recessus, eine Ausstülpung der Gelenkkapsel am oberen Ende der Kniescheibe, ist nach einer Operation meist verklebt und sollte ebenfalls mobilisiert werden. Mittels manueller Gelenkstechniken wird das physiologische Gleitverhalten der Kniescheibe auf dem Oberschenkelknochen, sowie die Gelenksbeweglichkeit verbessert. Mit Weichteiltechniken werden schmerzhafte Verspannungen der Muskulatur gelockert und die Stoffwechselsituation optimiert. Nach kurzer Zeit kann auch mit dem Ergometer fahren begonnen werden.

Muskelaufbau

Danach spielt der Muskelaufbau im Training eine wichtige Rolle. Die Kräftigung der Hüft- und Oberschenkelmuskulatur stehen im Mittelpunkt, um das Gleitverhalten der Kniescheibe positiv zu beeinflussen. Aber auch eine gute Rumpfmuskulatur ist entscheidend. Der innere Teil des vierköpfigen Oberschenkelmuskels (vastus medialis) ist ein wichtiger Stabilisator der Kniescheibe. Um vor allem diesen inneren Anteil der Oberschenkelmuskulatur zu kräftigen eignen sich beispielsweise Streckercurls. Ein weiterer Fokus im Training liegt auf der Beinachse. Auf diese sollte nicht nur bei speziellen Übungen ein Augenmerk gelegt werden, sondern auch bei alltäglichen Belastungen wie z.B. beim Stiegen steigen. Beim Beinachsentraining werden Übungen zuerst ohne Zusatzgewicht erlernt, wie etwa Ausfallschritte, einbeinige Kniebeugen, Übungen auf dem Stepper usw. Erst wenn die Ausführung fehlerfrei ist, kann auch das Gewicht nach und nach gesteigert werden. Ziel des Trainings ist, die korrekte Beinachse nicht nur im Alltag, sondern bei allen sportspezifischen Belastungen stabilisieren zu können. Eine weitere Säule nimmt das Koordinationstraining ein. Der Einbeinstand auf verschiedenen labilen Unterlagen, wie einem Kreisel, Luftkissen oder Kippbrett wird unter Einhaltung der geraden Beinachse perfektioniert. Dem Koordinationstraining sind dabei keine Grenzen gesetzt, unter Einsatz von Zusatzaufgaben wie z.B. Augen schließen, Kniebeuge, eine Acht mit dem Bein in die Luft zeichnen, Ball zuwerfen usw. werden die koordinativen Fähigkeiten weiter gesteigert.

 

1 Mobilisation des Kniegelenks / 2 Recessusmobilisation / 3 Schwellstrom Quadrizeps
1 Mobilisation des Kniegelenks / 2 Recessusmobilisation / 3 Schwellstrom Quadrizeps

Mit der OP allein ist es nicht getan. In der Physiotherapie wird an der Ursache für die Entstehung der patellofemoralen Arthrose gearbeitet, um langfristig gute Ergebnisse zu erzielen. Hauptziel der Physiotherapie nach einem Teilersatz der Kniescheibe ist, wieder schmerzfrei und aktiv in den Alltag zurückzukehren und ohne Einschränkungen in den Sport wiedereinzusteigen. Je nach Alter und Sportart kann die Dauer bis zum Wiedereinstieg variieren. Die Frage „Was gilt es beim Skifahren mit einem künstlichen Gelenk zu beachten?“ kann am 9. Dezember 2022 von unseren Experten beim Skitag der Sporttherapie in Hinterstoder beantwortet werden.