Machine Learning
Gelenkpunkt am Puls der Zeit
Eine schnelle und erfolgreiche Rehabilitation nach einer Knieverletzung, wie zum Beispiel einer Verletzung des vorderen Kreuzbands beginnt unter anderem mit richtigen Operationsentscheidungen. Welche operativen Maßnahmen notwendig sind, hängt von vielen Faktoren ab: Alter, Geschlecht, Aktivitätsniveau, Verletzungsmuster, anatomischen Gegebenheiten und vielem mehr. Lange basierte diese Entscheidung vor allem auf der Erfahrung und der Expertise der behandelnden Ärztin/des behandelnden Arztes. Doch bei so vielen Einflussfaktoren werden Zusammenhänge schnell so komplex, dass ein Mensch allein kaum alle Aspekte objektiv bewerten kann. Das Ergebnis: Operationserfolge unterscheiden sich oft je nach Institution oder Erfahrungsgrad.
Das bedeutet für Gelenkpunkt: Auch in der Medizin geht man mit dem Puls der Zeit und man bedient sich der Methoden der Künstlichen Intelligenz bzw. des Machine Learnings. Das Ziel: Entscheidungen noch präziser treffen und damit den Grundstein für eine erfolgreiche Rehabilitation legen.
Machine Learning in der Medizin
Machine Learning, Künstliche Intelligenz – Begriffe, die derzeit in aller Munde sind. Doch was verbirgt sich eigentlich dahinter?
Machine Learning (kurz ML) ist ein Teilbereich der Künstlichen Intelligenz. Dabei werden sogenannte Modelle darauf trainiert, in großen Datenmengen Muster zu erkennen.
Das funktioniert so: Das Modell bekommt viele Beispiele gezeigt – in diesem Fall etwa Operationsentscheidungen und die entsprechenden klinische Daten über einen zweijährigen Verlauf – und lernt daraus, welche Kombination von Faktoren typischerweise zu bestimmten Ergebnissen führt. Während ein Mensch nur eine begrenzte Anzahl an Parametern gleichzeitig überblicken kann, analysiert ein ML-Modell zahlreiche Variablen parallel und erkennt dabei komplexe Zusammenhänge, die sonst oft verborgen bleiben.
Datenbasierte Unterstützung bei Kreuzbandoperationen
In der Praxis Gelenkpunkt wird Machine Learning derzeit eingesetzt, um Entscheidungen bei Operationen von vorderen Kreuzbandverletzungen zu optimieren. Dafür wurde in Kooperation mit dem MCI Innsbruck eine eigene Web-Anwendung entwickelt.
Bei einer Ruptur des vorderen Kreuzbands kann zusätzlich zur Rekonstruktion des verletzten Bandes eine seine sogenannte „Tenodese“ durchgeführt werden. Dabei wird ein Sehnenstreifen auf der Außenseite des Kniegelenks umgeleitet und am Knochen fixiert, um die Rotationsstabilität des Knies zu verbessern und das Risiko einer erneuten Verletzung zu senken (siehe dazu auch den Artikel „Ein Kreuzband kommt selten allein“).
Eine Tenodese kann also hilfreich sein – braucht es aber nicht in jedem Fall. Sie ist mit einer etwas aufwendigeren Operation verbunden und kann in manchen Fällen zu Bewegungseinschränkungen oder vermehrter Narbengewebebildung führen.
Deshalb ist die Entscheidung individuell abzuwägen. Faktoren wie Alter, Geschlecht, sportliches Risikoverhalten, Verletzungsmuster und anatomische Besonderheiten spielen dabei eine wichtige Rolle. Die Abbildung links zeigt einen Auszug aus der Web basierten Anwendung.
Um zu überprüfen, wie erfolgreich eine Entscheidung im Nachhinein war, werden die klinischen Ergebnisse der Patienten über 2 Jahre hinweg mit standardisierten Fragebögen erhoben (nach 6-, 12- und 24 Monaten). Dabei wird unter anderem erfasst ob in den zwei Jahren nach der Operation erneut Verletzungen, Bewegungseinschränkungen oder andere Komplikationen aufgetreten sind.
Diese Daten – kombiniert mit den individuellen Patienteninformationen – bilden das „Futter“ für das Machine-Learning-Modell. Das Modell erkennt, welche Faktoren-Kombinationen für oder gegen eine Tenodese sprechen und liefert anschließend eine prozentuale Einschätzung, wie empfehlenswert der Eingriff im konkreten Fall ist.
Wichtig: Das Modell ersetzt die Entscheidung der Ärztin oder des Arztes nicht – es unterstützt sie dabei.
Ausblick – KI in Knie- und Schulterchirurgie
Der Einsatz von Machine Learning in der Medizin steckt noch in den Anfängen – das Potenzial ist jedoch groß. Durch die fortlaufende Sammlung und Auswertung von Patientendaten kann das Modell stetig verbessert werden. Jede neue Information trägt dazu bei, die Vorhersagen präziser zu machen und das Wissen über erfolgreiche Behandlungsstrategien zu erweitern.
Was derzeit bei der Entscheidung zur Tenodese Anwendung findet, könnte künftig auch bei anderen Eingriffen am Knie oder auch im Bereich der Schulterchirurgie hilfreich sein. So kann Machine Learning langfristig dazu beitragen, Behandlungsentscheidungen immer präziser und individueller zu gestalten.
Das Ziel ist jedenfalls klar: Für jede Patientin und jeden Patienten eine objektive, individuell passende Entscheidung zu treffen – als Grundlage für die bestmögliche Rehabilitation und eine erfolgreiche und sichere Rückkehr zu ihren gewünschten sportlichen Aktivitäten.


