Komplexe Übung

Therapie nach Riss des hinteren Kreuzbands

Katja Hesch
Text: Katja Hesch

Wie im Artikel von Univ.-Prof. Dr. Fink und DDr. Abermann beschrieben, ist die Ruptur des hinteren Kreuzbandes sowohl intraoperativ als auch in der Nachbehandlung fordernd.

 

Traktion des Kniegelenks
Traktion des Kniegelenks

Konservative Therapie

Das hintere Kreuzband hat eine gute Heilungstendenz, da es von zahlreichen Blutgefäßen versorgt wird. Wurde bei einer Ruptur keine weitere Struktur mitverletzt, wird meist konservativ behandelt. Anfangs wird mit Lymphdrainagen die Schwellung des Kniegelenks minimiert. Unterstützend wirkt die Elektrotherapie: Ultrareizstrom wirkt durchblutungsfördernd, schmerzdämpfend und abschwellend. Auch der richtige Umgang mit den Unterarmstützkrücken wird geübt, um das Knie adäquat zu entlasten und ein rundes Gangbild zu ermöglichen. In den ersten Wochen darf das verletzte Bein noch nicht voll belastet werden, die Teilbelastung erfolgt nach ärztlicher Anweisung. Nach ungefähr sechs Wochen ist der Übergang zur Vollbelastung erlaubt. Mindestens acht Wochen muss eine Schiene getragen werden, zu Beginn eine starre Schiene zur Fixierung des Kniegelenks in Streckstellung. Nach Rückgang der Schwellung wird auf eine dynamische Schiene mit einstellbarem Bewegungsausmaß gewechselt. Bis zur vollständigen Schienenentwöhnung vergehen mehrere Monate. Mit passiver Mobilisation des Kniegelenks kann früh gestartet werden. Diese erfolgt, solange die Schiene getragen werden muss, nur in Bauchlage, um ein Gleiten des Schienbeins nach hinten zu vermeiden. Eine Aktivität der hinteren Oberschenkelmuskulatur muss vermieden werden. Weichteiltechniken der kniegelenksumgebenden Muskulatur wirken sich positiv auf das Schmerzbefinden und die Stoffwechselsituation aus. Sobald das Bewegungsausmaß des Kniegelenks vergrößert werden darf, wird die Beweglichkeit mit manuellen Gelenkstechniken verbessert. Mittels Traktion kommt es durch Zug am Gelenk zur Entlastung, zur Schmerzlinderung und zur Förderung des Knorpelstoffwechsels. Die Mobilisation der Kniescheibe ist wichtig, damit diese beweglich bleibt, da eine Beugung nach unten nur mit ausreichender Gleitbewegung der Kniescheibe nach unten möglich ist. Nach einer Verletzung am Kniegelenk ist der vordere Oberschenkelmuskel meist in seiner Ansteuerung gehemmt. Übungen zur Aktivierung des wichtigsten unterstützenden Muskels des hinteren Kreuzbandes sind von großer Bedeutung, um eine endgradige Streckung des Kniegelenks wiederzuerlangen. Zusätzlich wird mit Schwellstrom am Quadriceps einer Atrophie der Oberschenkelmuskulatur entgegengewirkt. Unterwassertherapie eignet sich, um das Gelenk zu bewegen, ohne es zu belasten. Beim Ergometer fahren ohne Widerstand wird die Produktion der Gelenksschmiere und die Durchblutung angeregt.

 

Mobilisation des Kniegelenks / Beinpresse
Mobilisation des Kniegelenks / Beinpresse

Physiotherapie nach Operation

Bei einer ausgeprägten hinteren Schublade liegt meist eine Kombinationsverletzung des hinteren Kreuzbandes mit der hinteren-äußeren Gelenkecke vor. Hierbei handelt es sich um eine Operationsindikation. Danach bilden Lymphdrainage, Elektrotherapie, Mobilisation des Kniegelenks und Weichteiltechniken die wesentlichen Bausteine der Therapie. Um die Narbenheilung positiv zu beeinflussen, wird die Low Level Lasertherapie eingesetzt. Das rote Laserlicht stimuliert die Mitochondrien in den Zellen und regt so die Wundheilung an. Um Verklebungen zu vermeiden, ist die Mobilisation der Narbe von Bedeutung. In der Frühphase liegt der Fokus auf der Reduktion der Schwellung, der Quadricepsaktivierung, der Mobilisation der Kniescheibe und der Optimierung des Gangbildes. Nach Vorgaben des Operateurs wird nahezu wöchentlich das Bewegungsausmaß im Kniegelenk erweitert und es folgt eine sukzessive Steigerung der Gewichtsbelastung des operierten Beines, begleitet von einer langsamen Entwöhnung der Unterarmstützkrücken. Die Schienenbehandlung beträgt in Summe mindestens acht Wochen.

 

Steiger / Koordinationsleiter
Steiger / Koordinationsleiter

Training

Nach drei Wochen wird mit der Kräftigung der hüftumgebenden Muskulatur sowie der Rumpfmuskulatur gestartet, ohne das verletzte/operierte Bein axial zu belasten. Spätestens nach sechs Wochen beginnt das Krafttraining der kniegelenksumgebenen Muskulatur. Die Oberschenkelmuskulatur wird sowohl in der geschlossenen (z.B. Beinpresse) als auch in offener Kette (z.B. Strecker-Curls) trainiert. Dabei wird stets auf das vorgegebene Bewegungs- und Belastungslimit geachtet. Die Kräftigung des Musculus Quadriceps spielt in der Trainingstherapie eine große Rolle, um eine gute Stabilität des Kniegelenks wiederherzustellen. Auf ein Training der kniegelenksbeugenden Muskulatur wird mehrere Monate verzichtet, um keine hintere Schublade zu provozieren. Sobald das verletzte Bein vollbelastet werden darf, werden auch einbeinige Kräftigungsübungen miteingebaut wie z.B. Kniebeugen, Lunges oder Steiger. Im weiteren Verlauf wird das Übungsprogramm um Schnelligkeitsübungen (z.B. Koordinationsleiter) und schnellkräftige Übungen (z.B. Sprünge) erweitert.

Nach vier Monaten wird mittels computergestützter Muskelfunktionsanalyse (Isokinetik-Test) der Kraftzuwachs überprüft und das weitere Training optimiert. Ziel ist ein Kraftunterschied zwischen operierten/verletzten und gesundem Bein von weniger als zehn Prozent. Das Gleichgewichtstraining bildet einen fixen Bestandteil der Trainingstherapie, sobald die volle Belastung erlaubt ist. Anfangs werden die koordinativen Übungen auf stabilem Untergrund ausgeführt, später auf labilen Unterlagen wie z.B. einem Luftkissen, Kreisel, Slackline o.ä. Nach und nach kann die Übung mit Zusatzaufgaben erschwert werden, beispielsweise auf einem Wackelgerät im Einbeinstand einen Ball fangen.

Summa summarum, ist die Rehabilitation nach einem Riss des hinteren Kreuzbandes ein langer Prozess. Eine Reha von mindestens einem halben Jahr ist einzuberechnen, um die volle Kraft und Stabilität des Kniegelenks wiederzuerlangen. Die Rückkehr zu Kontaktsportarten und zu „pivoting sports“ (Sportarten, bei denen es zu Rotationsbewegungen im Kniegelenk kommt, z.B. Fußball, Handball, Basketball) dauert ungefähr zwölf Monate. Von großer Bedeutung nach dieser Verletzung ist die Kommunikation mit dem/r zuständigen Arzt/Ärztin, um ein optimales Ergebnis zu erzielen.