(Un)runde Sache

Wenn die Kniescheibe zwickt

Dr. Florian Dirisamer - Orthopädie und Sportchirurgie, Puchenau bei Linz
Text: Florian Dirisamer und Christian Patsch

Die isolierte Abnützung im Kniescheibengelenk (Patellofemoralgelenk) ist ein nicht seltenes und für den Patienten äußerst unangenehmes Problem. Verschleißbedingte vordere Knieschmerzen mit starker Einschränkung vor allem beim Bergauf- und Bergabgehen sind die Leitsymptome. Stellen im Anfangsstadium klar konservative und gelenkerhaltende operative Therapien den Goldstandard dar, ist die Behandlung der Arthrose im Endstadium eine Domäne der Prothetik.

 

(Un)runde Sache

 

Schon Mitte der 1950er Jahre erkannte man die Notwendigkeit für einen Teilersatz des Patellofemoralgelenks. Das damalige Konzept sah allerdings nur einen schalenartigen Metallüberzug der Kniescheibe vor. Aufgrund schlechter Ergebnisse wurde die Technik rasch wieder verworfen. Auch die nachfolgende erste Generation richtiger Teilgelenksimplantate lieferte nicht die gewünschten Resultate, was zu einer kontroversiellen fachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema führte. Den Implantaten wehte ein ordentlicher fachlicher Gegenwind entgegen. Heute ist klar, dass die damaligen Implantatdesigns erhebliche Schwächen hatten. Sie konnten gar nicht richtig funktionieren, weil die menschliche Anatomie nicht wieder hergestellt wurde. Die heute verwendeten Implantate der 3. Generation entsprechen in ihrem Design weitestgehend der menschlichen Anatomie und sind in diversen Größen und Krümmungen verfügbar. Es ist damit eine ebenso gute Anpassung an das individuelle Knie möglich, wie es auch bei einer modernen Knie-Totalprothese Standard ist.

 

Schwere Kniescheibengelenksarthrose: Die Patella ist deformiert, ein großer Knochenteil steht an der Außenseite wie ein Geier­schnabel über und scheuert dort. / Bild nach Patellofemoralgelenksprothese: Schön zu sehen, dass der Gelenkteil zwischen Oberschenkel und Unterschenkel nicht ersetzt ist, die Menisci und Bänder bleiben erhalten. / Mit modernen Implantaten kann die Gelenkoberfläche anatomisch ersetzt werden / Die Rückfläche der Kniescheibe wird mit einer Gleitfläche aus Polyethylen ersetzt
Schwere Kniescheibengelenksarthrose: Die Patella ist deformiert, ein großer Knochenteil steht an der Außenseite wie ein Geier­schnabel über und scheuert dort. / Bild nach Patellofemoralgelenksprothese: Schön zu sehen, dass der Gelenkteil zwischen Oberschenkel und Unterschenkel nicht ersetzt ist, die Menisci und Bänder bleiben erhalten. / Mit modernen Implantaten kann die Gelenkoberfläche anatomisch ersetzt werden / Die Rückfläche der Kniescheibe wird mit einer Gleitfläche aus Polyethylen ersetzt

Wann kommt ein Teilersatz in Frage?

Liegt eine schwere Arthrose des Kniescheibengelenks – bei noch gesundem restlichen Knie – vor, kann grundsätzlich an eine Patellofemoralprothese gedacht werden. Individuelle Faktoren wie Lebensalter oder Körpergewicht müssen in der Beratung berücksichtigt werden. Die Vorteile des Teilersatzes gegenüber der Totalprothese liegen auf der Hand. Es wird nur der wirklich kaputte Gelenkanteil ersetzt, wesentliche – für das Gelenkempfinden und die Mechanik wichtige Teile des Knies bleiben vollständig erhalten.

Eine klassische Indikation ist die posttraumatische Arthrose nach Kniescheibenbruch. Diese Ausgangssituation ist in aller Regel unkompliziert, es muss nur die kaputte Oberfläche ersetzt werden. Anspruchsvoller sind Arthrosen, die auf Basis von Fehlstellungen (z.B. X-Bein) oder angeborenen Deformitäten (z.B. Fehlform der Gleitrinne am Oberschenkel) entstanden sind. Auch Situationen mit vorausgegangener Kniescheibenluxation können herausfordernd sein. Hier muss auch das zugrundeliegende Problem korrigiert werden, sonst wird das Implantat nicht dauerhaft funktionieren. Dabei kommen auch kombinierte Eingriffe (z.B. Stabilisierung der Patella + Implantat) zur Anwendung.

Die funktionellen Ergebnisse sind in aller Regel sehr gut. Der früher regelmäßig zu beobachtende Verschleiß des Implantats ist heute kein Thema mehr. Der häufigste Grund zur Re-Operation ist nicht das Versagen des Implantats, sondern das Voranschreiten der Arthrose in den restlichen, noch nicht ersetzten Kniegelenksanteilen. Dies ist natürlich im Laufe des Lebens zu erwarten und naturgemäß limitierend für die Langlebigkeit der Methode. Sie ist deshalb oft auch als Überbrückungsmaßnahme gedacht, um den Einsatz einer Totalprothese in einen späteren Lebensabschnitt zu verschieben. Der operative Aufwand ist geringer als bei einer Totalprothese, die Rehabilitationsphase kürzer, aber inhaltlich ähnlich. Stützkrücken sind in der Regel nur in den ersten zwei Wochen nach der OP erforderlich.

Einfach nur die kaputte Oberfläche des Gelenkes zu ersetzen ist oft zu wenig. Das Erkennen und Korrigieren der Ursache für die Arthrose ist der Schlüssel zum Erfolg. Christian Patsch