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Diagnose, Therapie und Prophylaxe von Muskelverletzungen

Dr. Peter Gföller - Gelenkpunkt
Text: Priv. Doz. Dr. Peter Gföller

Der Fußballspieler, der sich plötzlich an den Oberschenkel greift, der Läufer, der einen Sprint hinkend abbrechen muss, oder der Tennisspieler, der sich vor Schmerzen die Wade hält: Allen gemeinsam ist eine Verletzung jenes Gewebes, das uns Bewegung erst möglich macht – der Muskulatur.

 

Diagnose, Therapie und Prophylaxe von Muskelverletzungen

 

Muskelzerrungen, Muskelfaserrisse, oder sogar ein Riss des gesamten Muskels können beim Sport oder hoher körperlicher Belastung entstehen. Für den Schweregrad der Verletzung ist das Ausmaß der Überbelastung von entscheidender Bedeutung. Je nach Sportart und Statistik machen Muskelverletzungen bis zu 55% aller Sportverletzungen aus. Umso wichtiger sind frühzeitige Erkennung, adäquate Therapie und Prophylaxe.

Ursachen

Ein Ungleichgewicht der Muskulatur und verringerte Rumpfstabilität begünstigen Verletzungen. Auch Überlastung und Ermüdung der Muskulatur spielen eine entscheidende Rolle, ebenso Regen oder Kälte bei der Sportausübung. Einen weiteren Risikofaktor stellt eine mangelnde Dehnfähigkeit der Muskulatur dar. Nicht ausgeheilte und verschleppte vorangegangene Verletzungen sind ebenfalls für eine Vielzahl von Unfällen verantwortlich.

Besonders oft passieren Muskelverletzungen bei Sportarten, die mit schnellen Sprints und Stopps verbunden sind, wie zum Beispiel Fußball oder Tennis. Aber auch ein Zusammenprall mit einem Gegner oder einem Hindernis kann die angespannte oder vorgedehnte Muskulatur zum Reißen bringen. Einen gewissen Einfluss haben auch chronische Entzündungen im Körper, wie kariöse Zähne, entzündete Nasennebenhöhlen oder Mandelentzündungen.

Definition

  • Die kleinste Baueinheit des Muskels ist das sogenannte Sarkomer. Mehrere Sarkomere bilden eine Muskelfaser, die wiederum zu Bündeln zusammengefasst sind. Viele dieser Bündel bilden den Muskel, der von Faszien umgeben ist. Prinzipiell beruhen alle Verletzungen der Muskulatur auf demselben Mechanismus, unterscheiden sich aber durch den Schweregrad. Durch ein zu abruptes Abstoppen einer Bewegung oder plötzliches zu starkes Zusammenziehen des Muskels können Schäden unterschiedlichen Ausmaßes entstehen.
  • Bei der Muskelzerrung kommt es zur Überdehnung der Sarkomere und dadurch zu einer vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung und zu Schmerzen. Im betroffenen Bereich ist die Muskelspannung meist erhöht, was sich als Verhärtung bemerkbar macht. Eine einfache Muskelzerrung heilt normalerweise bei genügend Schonung innerhalb von ein paar Tagen folgenlos aus.
  • Beim Muskelfaserriss kommt es zur Ruptur mehrerer Muskelfasern. Es kommt zu plötzlichen starken Schmerzen und eine Belastung ist kaum noch möglich. Ein Hämatom (Einblutung) bildet sich und ein deutlicher Kraftverlust des betroffenen Muskels ist zu beobachten Der natürliche Bewegungsablauf ist gestört, Betroffene nehmen eine Schonhaltung ein, um den Muskel zu entlasten. Auch hier ist der Spannungszustand des Muskels deutlich erhöht. Die Heilung benötigt entsprechend länger und eine Belastung ist frühestens nach etwa 3- 6 Wochen wieder möglich.
  • Bei entsprechend hoher Krafteinwirkung können ganze Muskelbündel oder sogar der gesamte Muskel reißen. Die Symptome sind ähnlich jenen beim Faserriss. Bei ausgedehnten Rissen ist eine Eindellung tastbar. Diese Verletzung geht mit einem weitgehenden Funktionsverlust des Muskels einher und stellt in manchen Fällen auch eine Indikation zur Operation dar. Die Regenerationszeit so gravierender Verletzungen beträgt mehrere Monate.

Diagnostik

Wie bei allen Verletzungen ist eine genaue Analyse des Unfallmechanismus wichtig. Druckschmerz in der betroffenen Region und erhöhte Muskelspannung sind typische Zeichen. Bei starker Schwellung und Hämatombildung oder beim Ausbilden einer Delle im Muskelrelief ist von einer schweren Verletzung auszugehen. Die Ultraschalluntersuchung ist eine schnelle und kostengünstige Möglichkeit, den Muskel zu untersuchen. Dabei können eine mögliche Einblutung, Bündel- oder Muskelrisse festgestellt werden. Bei einer einfachen Zerrung zeigt das Ultraschallbild normalerweise keine Auffälligkeiten. Um die Verletzungsschwere genauer beurteilen zu können und die Ausfallszeit bei Sportlern besser abschätzen zu können, ist eine Magnetresonanztomographie (MRT) hilfreich.

 

Training am Anti-Schwerkraft-Laufband
Training am Anti-Schwerkraft-Laufband

Heilungsverlauf

Wie alle Reparationsvorgänge im Körper läuft auch die Muskelheilung in mehreren Phasen ab und es kommt schlussendlich zur Ausbildung eines Ersatzgewebes, einer Narbe. Die Muskelfaserregeneration beginnt sehr rasch im Heilungsverlauf, etwa nach 3-5 Tagen mit einer Spitze nach etwa zwei Wochen. Daher ist es wichtig, das Ausmaß der Verletzung frühzeitig zu erkennen und dem Muskel genügend Zeit zu geben, um eine belastungsfähige Narbe entstehen zu lassen. Diese stellt aber auch nach vollständiger Ausheilung einen verletzungsanfälligen Bereich dar und immer wiederkehrende Einrisse in und um solche Narbenareale sind keine Seltenheit.

Als Akutbehandlung hat sich eine Kombination aus Kühlung, Hochlagerung und Kompression mittels elastischer Bandage, die sogenannte PECH-Regel (Pause-Eis-Compression- Hochlagerung), bewährt. In Einzelfällen kann die Einnahme von entzündungshemmenden und schmerzstillenden Medikamenten hilfreich sein. Am Wichtigsten ist jedoch die Schonung der betroffenen Muskelgruppe, um eine weitere Schädigung zu vermeiden und den Heilungsprozess nicht zu verzögern. Infiltrationen mit Eigenblut (ACP) sind bei ausgeprägten Verletzungen zielführend und können die Heilungszeit verkürzen.

Eine begleitende physiotherapeutische Behandlung ist unumgänglich, um den betroffenen Muskel zu stärken und seine Belastungsfähigkeit wiederherzustellen. Nach erreichter Beschwerdefreiheit im Alltag vergeht noch einige Zeit, bis sportliche Betätigung wieder möglich ist. Am Beginn sind Sportarten mit gleichmäßiger Belastung, ohne plötzliche Richtungswechsel oder Muskelanspannung zu empfehlen. Durch Radfahren, Schwimmen oder Training am Crosstrainer kann der Körper wieder langsam an Belastungen herangeführt werden. Ein sehr effizientes Hilfsmittel bei der Wiederaufnahme sportlicher

Betätigung ist das „Anti-Schwerkraft-Laufband“ ALTER-G, auf welchem Laufbelastungen mit einer genau dosierten Intensität möglich sind.

 

Training am Anti-Schwerkraft-Laufband
Training am Anti-Schwerkraft-Laufband

Vorbeugung

Nur eine adäquat aufgewärmte Muskulatur kann im Notfall schnell reagieren ohne dabei Schaden zu nehmen. Nehmen sie sich vor Sportausübung einige Minuten Zeit, um den Körper auf Betriebstemperatur zu bringen. Muskeln agieren immer paarweise, als Spieler und Gegenspieler, als Beuger und Strecker. Lauf- und Sprungsportarten beanspruchen zum Beispiel die vordere Oberschenkelmuskulatur mehr als die hintere. Ein gezieltes Kraft- und Koordinationstraining senkt nachweislich die Anfälligkeit der Muskulatur für Überlastungsschäden. Dabei sollte auf ein ausgewogenes Kraftverhältnis zwischen Beugern und Streckern geachtet werden. Vor allem eine gute Rumpfstabilität ist für viele Sportarten, aber auch für Belastungen im Alltag von entscheidender Bedeutung. Regelmäßiges Training unter Anleitung eines erfahrenen Therapeuten oder Fitnesstrainers kann das Verletzungsrisiko signifikant senken.