Wachstumspotential

Beinlängen- und Achskorrekturen im Kindes- und Jugendalter

Dr. Florian Dirisamer - Orthopädie und Sportchirurgie, Puchenau bei Linz
Text: Florian Dirisamer und Christian Patsch

Beinlängendifferenzen und Achsenfehler sind nicht nur ein kosmetisches Problem, sondern stellen einen großen Risikofaktor für frühzeitige Abnützungen sowohl in Knie- und Sprunggelenk, als auch im Bereich der Wirbelsäule dar. Während X- oder O-Beine unschwer vor allem im Sommer unter kurzen Röcken oder Hosen zu erkennen sind, fallen Beinlängendifferenzen meist nicht auf den ersten Blick auf. Betroffene merken aber früh, dass ein Hosenbein immer zu kurz oder zu lang ist.

 

Wachstumspotential

 

Häufig bleiben sie über Jahre nahezu symptomfrei und erst bei entsprechenden Überlastungssyndromen treten erstmals Schmerzen auf. Dies führt oft zu einer späten Diagnosestellung erst nach Wachstumsabschluss. Das Längenwachstum schließen Mädchen in der Regel mit dem 14., Burschen mit dem 16. Lebensjahr ab. Danach sind operative Korrekturoperationen sehr aufwendig und immer mit Osteotomien, also Durchtrennung des Knochens verbunden.

Ungleich eleganter und wesentlich geringer invasiv lassen sich Korrekturen vor Abschluss des Wachstums durchführen. Man benützt dabei die knienahen Wachstumsfugen im unteren Oberschenkel- und oberen Unterschenkelknochen. Es wird dabei mit sehr kleinen Operationen in das natürliche Wachstum eingegriffen. Im Falle einer Beinlängendifferenz wird durch Einsetzen von kleinen Titanplättchen das Wachstum im längeren Bein solange blockiert, bis die Beine wieder gleich lang sind. Dann werden die Plättchen wieder entfernt. X-Beine können durch Blockade der Wachstumsfugen ausschließlich an der Innenseite, O-Beine durch Blockade an der Außenseite korrigiert werden. Sobald die Beine gerade sind, können auch hier die Plättchen wieder entfernt werden. Es handelt sich dabei um eine sehr sichere und gut kontrollierbare Behandlung. Solange die Plättchen im Körper sind, können die betroffenen Kinder oder Jugendlichen problemlos ohne Einschränkungen ihren Sport ausüben. Der Krankenhausaufenthalt ist in der Regel kurz, die Eingriffe können auch tagesklinisch durchgeführt werden.

 

1 Wachstumsfuge mit Titanplättchen blockiert / 2 Beinganz­ufnahme mit seitengleicher Beinlänge vor Entfernung der Plättchen
1 Wachstumsfuge mit Titanplättchen blockiert / 2 Beinganz­ufnahme mit seitengleicher Beinlänge vor Entfernung der Plättchen

 

Da eine frühe Diagnose Voraussetzung für eine frühe Behandlung ist, sollten Eltern bei entsprechendem Verdacht eine orthopädische Untersuchung ihres Kindes veranlassen. Wenn sich der Verdacht bestätigt, wird eine Beinganzaufnahme im Stehen, ein spezielles Röntgen beider Beine, durchgeführt. Damit kann der ganze Prozess geplant werden. Nur wenn noch ausreichend Wachstumspotential vorhanden ist, können auch ausgeprägte Fehlstellungen auf diese Weise behoben werden, und damit frühzeitige Schäden am Bewegungsapparat vermieden werden.