Drehscheibe
Rotationsfehler und fehlerhaftes Laufverhalten der Kniescheibe sind häufig Ursache von Patellaluxation und -instabilität
Eine Luxation der Kniescheibe ist zweifelsohne ein traumatisierendes Ereignis. Einerseits, weil es sehr schmerzhaft ist, und andererseits, weil das Kniegelenk in verrenktem Zustand eine sehr abnormale Form zeigt, die für jeden sofort sichtbar ist.
Akute Kniescheibenverrenkung
Der Oberschenkelmuskel (Quadriceps) ist der kräftigste Muskel des Körpers und überträgt seine Kraft über die Kniescheibe. Der Gelenksknorpel der Kniescheibe ist der dickste im Körper. Verletzungen in diesem Gelenk können zu schmerzhaften Arthrosen führen, deshalb ist es unabdingbar, hier eine optimale Behandlung zu gewährleisten.
Die sinnvollste Erste Hilfe Maßnahme ist, das Kniegelenk sanft Richtung Streckung zu bringen und damit ein Wiederhineinspringen der Kniescheibe zu erreichen. Dies gelingt meistens, jedoch ist es aufgrund der Schmerzen dem Patienten nicht immer möglich soweit locker zu lassen, dass das Knie gestreckt werden kann. Im Krankenhaus wird nach erfolgtem Einrenken (Reposition) die bildgebende Abklärung durchgeführt. Optimalerweise wird neben dem Röntgen auch eine MRI Untersuchung zur Beurteilung des Verletzungsausmaßes angefertigt. Darauf sieht der Arzt ob durch die Verrenkung Knorpel und oder Knochen abgeschert worden sind. Ist dies der Fall besteht die Notwendigkeit einer Operation, wobei, je nach Größe des Fragments, dieses refixiert oder entfernt wird. Weiters kann es erforderlich sein, die gerissenen Bänder zu reparieren oder zu rekonstruieren. Dies wird dann durchgeführt, wenn ein sehr hohes Risiko der Folgeverletzungen im Sinne einer neuerlichen Verrenkung besteht.
Woran lässt sich dieses Risiko abschätzen? Generell weiß man dass 30 % aller Patienten eine neuerliche Verrenkung erleben werden. Es geht nun darum, jene Patienten mit hohem Risiko von jenen mit niedrigem Risiko zu differenzieren. Der Patella Instability severity (PIS) score ist dafür entwickelt worden. Die häufigste operative Technik stellt die MPFL Rekonstruktion dar.
Das gerissene Band (MPFL) wird mit einer körpereigenen Sehne aus dem Kniegelenksbereich rekonstruiert und stabilisiert damit die Kniescheibe gegen das Herausspringen. In einer von uns durchgeführten Nachuntersuchung konnten wir zeigen, so wie viele andere internationale Arbeitsgruppen, dass eine Rückkehr in alle Sportarten auf hohem Niveau ohne Reluxation möglich ist.
Chronische Instabilität
Eine chronische Patellainstabilität liegt vor, wenn es zu wiederholten Luxationen (Ausrenkungen) der Kniescheibe kommt. Oftmals ist gar kein großes Trauma dafür erforderlich, sondern es kann bereits bei Tätigkeiten des täglichen Lebens durch eine ungünstige Bewegung passieren. Verständlich, dass Betroffene ein zunehmendes Vermeidungsverhalten an den Tag legen. Es ist deshalb wichtig, frühzeitig eine Behandlung einzuleiten, einerseits um für den Patienten eine entsprechende Lebensqualität wiederherzustellen, andererseits um die Entwicklung einer lokalen Abnützung (Arthrose) zu verhindern.
An erster Stelle steht eine genaue klinische und radiologische Abklärung, um die Ursache der Instabilität zu ermitteln. Häufig findet man angeborene anatomische Fehlbildungen, wie eine fehlende knöcherne Rinne für die Kniescheibe am Oberschenkelknochen (eine sogenannte Trochleadysplasie), diverse Rotationsfehler der entsprechenden Extremität mit daraus resultierendem fehlerhaftem Laufverhalten der Kniescheibe, oder auch pathologisch veränderte Weichteilsituationen. Eine ganz entscheidende Struktur ist ein stabilisierendes Band, das mediale patellofemorale Ligament (MPFL). Es reißt vielfach bereits bei der ersten Luxation, in jedem Fall aber bei wiederholten Luxationen. Dies führt zu einer fehlenden passiven Stabilisierung der Kniescheibe und damit zu einer Bereitschaft für weitere Luxationen. Man vergleicht dieses Band gerne mit einer Hundeleine, die ja verhindert, dass der Hund sich in die falsche Richtung bewegt. In diesem Fall wäre dann die Kniescheibe sozusagen von der Leine gelassen und bewegt sich in Bereiche, wo sie herausspringen kann.
Die weitere Behandlung richtet sich nach den auslösenden Ursachen. Sehr häufig ist lediglich die Wiederherstellung dieses gerissenen Bandes erforderlich. Eine direkte Rekonstruktion ist selten möglich, meist erfolgt der Ersatz durch diverse andere körpereigene Sehnen.
Liegen noch andere Pathologien vor, sind im gleichen Eingriff zusätzliche operative Maßnahmen zu setzen. Fehlt die knöcherne Rinne, kann diese angelegt werden (Trochleaplastik), liegen Rotationsfehler vor, können diese durch korrigierende Osteotomien (Durchtrennung des Knochens) behandelt werden. Diese anspruchsvollen Operationen sind häufig der einzige Weg zu einer Normalisierung der Biomechanik des Kniegelenkes.
Die Physiotherapie spielt eine wichtige Rolle in der Nachbehandlung, ist aber keine Alternative zur Operation. Ein gerissenes Band kann man nunmal nicht trainieren, eine knöcherne Deformität nicht wegzaubern.
Da vielfach angeborene Probleme vorliegen, sind häufig auch Kinder und Jugendliche von einer chronischen Patellainstabilität betroffen. In solchen Fällen ist eine frühzeitige Behandlung ganz besonders wichtig, um Spätschäden zu vermeiden. Im Kindesalter, solange die Wachstumsfugen noch offen sind, sind allerdings nicht alle knöchernen Operationen, die hier angeführt wurden, möglich, da die Gefahr von Wachstumsstörungen besteht. Trotzdem ist eine frühzeitige Stabilisierung durch Weichteilverfahren wie eine MPFL-Rekonstruktion anzustreben. Es wird postuliert, dass eine normale Entwicklung der knöchernen Rinne nur in stabilen Verhältnissen erfolgen kann. Die knöchernen Korrekturen können dann nach Wachstumsabschluß erfolgen. Die Lebensqualität und Sportfähigkeit der Kinder verbessert sich dadurch entscheidend.