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Tango, Kreuzband und Giardini

Tatort Knie – Drehbuchautor Thomas Baum schreibt über seine Knie OP

Thomas Baum
Text: Thomas Baum

Thomas Baum schreibt Krimis und Drehbücher u.a. für den Tatort und die Rosenheim Cops.

Die Entscheidung, von einem Knie Abschied zu nehmen, fällt nicht zwischen Tür und Angel. Immerhin bewegt man sich damit viele Kilometer durch ein jahrzehntelanges Auf und Ab. In meinem Fall erklommen wir zusammen den Gipfel des göttlichen Olymps und stiefelten stundenlang durch tolle Städte wie San Francisco, Marrakesch und London.

 

Florian Dirisamer, Thomas Baum und Christian Patsch
Florian Dirisamer, Thomas Baum und Christian Patsch

 

Die lange Zeit intakte Freundschaftsbeziehung zu den größten Gelenken meines Körpers erlitt eine erste Trübung, als ich, ein mäßig talentierter Hobbykicker, unaufgewärmt aufs Spielfeld lief, ohne Ballkontakt einknickte und dieses gewisse Schnalzen hörte. Kreuzbandriss. Damals wurde mein Bein noch für fünf Wochen in fetten, warmen, verlässlich juckenden Gips gepackt. Es dauerte ein paar Jahre bis ich jenes typische Geräusch erneut vernahm. In einem mittelalterlichen toskanischen Hof um vier Uhr früh. Im Zuge eines chiantibetonten und eindeutig zu gewagten Tangoschritts.

Jugendsünden. Ich habe es links und rechts auf je zwei Kreuzbandrisse gebracht und damit das Verletzungspotential ziemlich ausgereizt. Später erkannte ich, dass man in einem abgeklärteren Lebensabschnitt mit seiner Physis noch eine offene Rechnung haben kann. Im zarten Alter von 57 Jahren meldete sich bei einem harmlosen Spaziergang zum ersten Mal ein von irgendeiner ungünstigen Bewegung ausgelöstes, sehr schmerzhaftes Stechen. Damals beschloss ich im tapferen Humpel-Modus, vor meinem sechzigsten Geburtstag keinesfalls irgendwelche Körperteile auszutauschen. Diesen Vorsatz erneuerte ich auch ein Jahr später mit fest zusammengebissenen Zähnen beim Abstieg von einer nicht gerade hochalpinen Alm.

Zum Schlüsselerlebnis wurde schließlich der einfache Vorgang des Aufstehens von einem Sessel in einem Gastgarten. Plötzlich ging wirklich gar nichts mehr. Ich konnte nur salzsäulenähnlich erstarrt abwarten, ob mir meine bösartig verstimmten Scharniere nicht doch noch gestatten würden, zu meinem Auto zu gelangen. Da wurde mir mit inzwischen 59 Jahren klar, dass es nach meinem nächsten Runden nicht mehr allzu lange dauern durfte.

Also suchte ich im Puchenauer Schloss die diesbezügliche Praxis meines Vertrauens auf, in der ein bestens organisiertes Assistentinnen-Team auch auf eigenwillige Terminwünsche äußerst entgegenkommend reagiert. „Beizeiten sinnvoll“, bestätigte mir Dr. Christian Patsch beim wohlwollenden Betrachten der auf eine intensive Arthrose hinweisenden Befunde, bevor er mit einer Infiltration für ein wahres Wunder sorgte. Endlich konnte ich wieder länger als zwanzig Minuten schmerzfrei vor mich hin marschieren und sang ein Loblied auf ein Steroidhormon namens Kortison.

Dem Infomaterial, mit dem ich bei der konkreten Planung des OP-Termins versorgt wurde, widmete ich zugegeben keine Sekunde. Erfahrungsgemäß fühle ich mich in einem Krankenhaus wohler, wenn ich wegblende, was mit mir geschehen soll. Dieser bewusste Verdrängungsmechanismus ist in einem Land mit exzellenter medizinischer Versorgung inklusive einer Zusatzversicherung keine allzugroße Kunst.

Ich erinnere mich an den sehr freundlichen, angenehm saloppen Umgangston, als ich auf dem Bett in den OP-Saal geschoben wurde. An die herzliche und beruhigende Begrüßung durch Dr. Christian Patsch und seinen Kollegen Dr. Florian Dirisamer, zwei Meister ihres Faches, die der Anblick eines offenen Knies mitsamt den dazugehörigen Bohr- und Sägegeräten offenbar nicht in eine unendliche Ohnmacht fallen lässt. Schließlich prognostizierte der Anästhesist meine in Kürze eintretende Absenz. Und dann kam der tiefe Schlaf. Ich bin ein erklärter Freund der wahrnehmungsbefreiten Vollnarkose. Dass ich danach erstmals in meinem Leben mit einem Katheter erwachen würde, hätte ich wahrscheinlich nachlesen können. Aber wenigstens war ich nun um eine Erfahrung reicher und war das im Grunde hilfreiche Ding nach der ersten Nacht auch schon wieder los.

Erstaunlich, wie rasch man dank der routinierten Unterstützung des Pflege- und Therapieteams wieder in die Gänge kommt. Bewegte ich mich bereits am Tag eins nach der OP auf den Krücken noch mit äußerster Vorsicht, waren kurz danach schon kleinere Spaziergänge möglich. Ein regelrechtes Jubelgefühl kam auf, als ich auf der motorisierten Schiene das erste Beugungs-Etappenziel von 90 Grad erreichte.

Es ging jedoch nicht ganz so hurtig weiter. Vor allem, weil ich mich als beruflich Selbstständiger für eine ambulante Reha und einen relativ knappen Krankenstand von drei Wochen entschieden hatte. Ja, auch ein neues Knie schwillt an. Und die Fortschritte in Sachen weiterer Beugung können streckenweise etwas zäh verlaufen. Außerdem baut sich die verflixte Oberschenkelmuskulatur partout nicht von alleine auf.

Möglicherweise sollte man in der fünften Woche nach der OP auch nicht unbedingt in eine völlig verfrühte, extrem überfordernde Wald- und Wiesenwanderung über Stock und Stein geraten. Inzwischen hat mich mein neues linkes Knie schon durch eine fünfstündige schmerzfreie Kulturwanderung bei der Biennale in den venezianischen Giardini getragen. Beim Radeln auf dem Ergometer schaffe ich die Fernsehserien-Folgenlänge von 43 Minuten ohne Probleme. Und als schon immer begeistertem Schwimmer waren mir nur fünf Monate nach der OP sogar anspruchsvolle Brustschwimm-Tempi über längere Strecken möglich.

Der Integrationprozess schreitet so gut voran, dass ich von Dr. Christian Patsch bereits in die motorische Eigenständigkeit entlassen wurde. Sieht ganz so aus, als würden auch mein neues Knie und ich wieder ziemlich beste Freunde werden. Gut so, gilt es doch noch Einiges zu erleben und zu bewältigen. Es muss ja nicht unbedingt ein nächster frühmorgendlicher Tango sein.

 

„Durch die technische Weiterentwicklung hat sich der Verschleiß von Knie- und Hüftimplantaten beträchtlich reduziert. Man rechnet heute mit einer Haltbarkeit von 20-25 Jahren, danach ist auch eine Wechseloperation in der Regel problemlos möglich. Deshalb ist bei entsprechenden Beschwerden auch in jungen Jahren eine Endoprothese oft eine gute Lösung.“ Dr. Florian Dirisamer

„Ziel ist nicht nur ein schmerzfreier Alltag, sondern auch eine weitgehend uneingeschränkte Sportfähigkeit. Neben den klassischen Sportarten wie Radfahren, Schwimmen und Laufen, sind zumeist auch Tennis, Golf, Langlaufen und selbst alpiner Schilauf problemlos möglich. Nur bei Kontaktsportarten wie Fußball oder Eishockey gibt es Einschränkungen.“ Dr. Christian Patsch