Leben a la Carte 0223

It‘s a Ladies game

Fussball


Text: Josef Wiesauer

“Lass Dir die Haare schneiden und setz Dir ein Kapperl auf, dann kannst Du in unserer Mannschaft mitspielen“, sagten die Burschen zu Irene Fuhrmann, weil sie eine Verstärkung für ihre Mannschaft gewesen wäre, fußballspielende Mädchen 1992 aber ein No-Go waren. Frauenfußball an sich ist so jung nicht. Schon 1863 bei Einführung der internationalen Regeln, spielten in England auch Mädchen, vorwiegend in den Schulen, dieses Spiel. The British Ladies waren 1894 das erste britische Team. 1895 endete das Spiel England Nord gegen England Süd vor 10.000 Zuschauern mit 7:1. Die Spielerinnen trugen relativ kurze Röcke über Knickerbockern und Hüte und entsprachen so der damals gängigen Etikette.

 

Foto: ÖFB / Gruber
Foto: ÖFB / Gruber

 

In der Zeit des ersten Weltkriegs konnte ein permanenter Ligabetrieb im Männerfußball nicht stattfinden, was dem Frauenfußball einen ordentlichen Boost verschaffte. Das Spitzenspiel zwischen den Dick Kerr’s Ladies und den St. Helens Ladies in Everton sahen 53.000 zahlende Zuschauer. In Frankreich zeigte sich eine ähnliche Entwicklung. 1920 kam es zum Länderspiel, das die Dick Kerr’s Ladies gegen eine Auswahl von Pariser Vereinen 2:1 gewannen. 1924 kam es letztlich zu den ersten regulären Länderspielen. Deutschland hinkte deutlich hinterher. Frauen spielten sich im Kreis gegenseitig den Ball zu. Dieser „Fußball für Frauen“ galt als akademisch und da es damals kaum Studentinnen gab, war die Entwicklung enden wollend. Der Deutsche Turnbund hielt Studentinnen in kurzen Hosen für unangemessen. Trotz der Widerstände kam es 1927 zum Spiel München gegen Berlin (2:1). 1930 gründete Lotte Specht in Frankfurt den ersten „Damen-Fußball-Club“, der ausschließlich gegen Männer antreten konnte und nach einem Jahr wegen heftiger Proteste wieder aufgelöst wurde.

Der Spaß war aber ohnehin bald vorbei. In England untersagte 1921 die Football Association den Frauen die Benutzung der Stadien. In Deutschland war Fußball nicht im Einklang mit dem Frauenbild des Nationalsozialismus zu bringen. Als 1954, befeuert durch den WM-Titel der deutschen Männer, die Diskussion über den Frauenfußball erneut aufflammte, verbot dies der DFB: „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Sittlichkeit und Anstand“.

 

Foto: ÖFB / Gruber
Foto: ÖFB / Gruber

Die Auferstehung

1970: Der DFB hebt das Frauenfußballverbot auf (Auflagen: keine Stollenschuhe, kleinerer leichterer Ball, Spieldauer 70 Minuten). 1971: Die UEFA empfiehlt, den Frauenfußball wieder aufzunehmen. In diesem Jahr sponsert Martini & Rossi das erste inoffizielle Weltmeisterschaftsturnier. 1975: Erste Asienmeisterschaft in Hongkong 1988: In China findet ein FIFA Frauen Einladungsturnier statt Drei Jahre später folgt ebendort die erste Frauenfußball WM.

 

Foto: ÖFB / Gruber
Foto: ÖFB / Gruber

Jetzt geht’s los

Die ersten Weltmeisterinnen kommen aus den USA. In der Folge finden, wie bei den Männern, alle vier Jahre Weltmeisterschaften statt. 1996 wird Frauenfußball olympisch. Die aktuelle Weltrangliste führen die USA vor Deutschland und Schweden an. Österreich liegt auf Rang 18.

 

Dr. Leo Windtner

Frauenfußball gilt berechtigt als die beherzteste Variante des Fußballs und erreicht damit auch unzählige Nichtfussballfans. Wir haben in Österreich damit eine gute Entwicklung geschafft. Bleiben wir drauf, es ist der Zug der Zukunft. Dr. Leo Windtner, ehemaliger ÖFB-Präsident, Mentor des Frauenfußballs

 

Apropos Österreich

1972 wurde die Damenliga gegründet. Die Nationalmannschaft besteht seit 1990. Die größten Erfolge waren das Erreichen des Halbfinales bei der Europameisterschaft 2017 und des EM-Viertelfinales 2022. Auch wenn wir uns für eine WM noch nicht qualifizieren konnten, Österreich ist international im Fußball konkurrenzfähig. Verantwortung dafür trägt auch und vor allem, die Teamchefin Irene Fuhrmann, die das Amt 2020 von Dominik Thalhammer übernahm.

 

Foto: ÖFB / Gruber
Foto: ÖFB / Gruber

 

Leben à la carte sprach mit Österreichs Teamchefin Irene Fuhrmann

Im Männerfußball ist das alte Fußballmotto „Elf Freunde müsst ihr sein“ nur mehr ein sozialromantisches Märchen. Trügt der Schein, oder ist das im Frauenfußball anders? Tatsächlich ist in unserem Team das Miteinander ein sehr wichtiger Faktor. Das sieht man auch auf dem Platz. Wir sind als Team stärker, als es die Papierform hergibt. Wir sind ein verschworener, familiärer Haufen. Als Teamchefin ist mir das sehr wichtig. Dass ich als Trainerin sehr viel in das „Wir“ investiere, kommt nicht nur am Platz zurück. Mit dem Rücktritt von Carina Wenninger, unserer Kapitänin, schreitet der Generationenwechsel zügig voran. Da spürt man wie das Team zusammenrückt. Das ist wichtig, denn mit 12.000 bis 13.000 aktiven Athletinnen sind wir immer noch eine vergleichsweise kleine Frauenfußballnation (Holland: 150.000). Da muss man mit dem vorhandenen Potential sehr sorgfältig umgehen. Wir haben natürlich, dem internationalen Standard entsprechend, eine Sportpsychologin an Board, die wertvolle Arbeit leistet. Ein Ergebnis davon ist, dass wir trotz viel Bewegung im Kader internationale Spitzenteams, wie Norwegen, Italien, Niederlande schlagen konnten.

Wir sind also international dabei? Jein. Wir klopfen immer wieder an, aber trotz der Gründung unserer Akademie in St. Pölten sind wir sehr von Spielerinnen abhängig, die in internationalen Ligen spielen, um konkurrenzfähig zu sein, denn das Niveau ist international höher als bei uns. Die Mädels entwickeln sich dort in einem professionellen Umfeld einfach besser. Das ist vergleichbar mit den Männern. Dieses Faktum wird umso wichtiger, da die Kaderbreite bei fünf Wechseln pro Spiel von noch größerer Bedeutung ist.

Stichwort Männer. Was unterscheidet das Spiel der Männer von den Frauen? Das ist an erster Stelle die Athletik und hier wiederum im speziellen die Schnelligkeit des Spiels.

Sind die Männer die Vorbilder der Frauen? Wir wollen von den Besten lernen, daher orientieren wir uns schon auch am Männerfußball und schauen uns viel ab, vor allem, was die Umsetzung von diversen Spielanlagen betrifft.

Offensichtliche Unterschiede in der Spielkultur von Männern und Frauen sind wohltuend und sympathisch. Die Kultur am Platz ist schon merkbar anders. Es bleibt keine liegen, um Zeit zu schinden, es wird nicht gespuckt oder geschimpft. Das wirkt sich auch auf die Fan-Kultur aus, es ist bei uns undenkbar, dass ein Gegner mit Pfiffen empfangen wird. Bei unserem Spiel in England wurden wir mit freundlichem Applaus begrüßt. Letztlich ist unsere Zielgruppe deshalb auch anders, denn zu uns kommen hauptsächlich ganze Familien, was dem Fußball insgesamt guttut.

Am Spielfeld ist die Disziplin merklich anders. Wie ist das in der Kabine? Ich hatte bisher im Team keinerlei disziplinäre Probleme. Ob das nur daran liegt, dass ich Frauen trainiere, weiß ich nicht. Ich verstehe jedenfalls meinen Job als tägliche Beziehungsarbeit. Mein Führungsstil ist hier sicher kein Nachteil.

Wird das sympathische Auftreten der Spielerinnen so bleiben, oder durch zunehmende Gagen und Startum korrumpiert? Das würde ich mir definitiv wünschen, aber wenn die Rahmenbedingungen professioneller werden, kann man eine Entwicklung ähnlich wie bei den Männern nicht ausschließen. Die Tattoos werden jedenfalls auffällig mehr.

In der Herrenabteilung ist die Vorbildwirkung der Stars immens und teilweise fragwürdig überhöht. Wie ist das bei den Ladies? Ich denke, dass wir durch die Art, wie wir unseren Sport betreiben, einen relevanten Beitrag zu einem modernen Frauenbild, jenseits des Model-Ideals und der Hungersucht leisten können. Wir wollen viele Mädchen inspirieren, ihren Weg selbstbestimmt zu gehen.