Hohes Haus auf Augenhöhe

Das Parlament ist ein offenes Haus für alle

Ellinor Wiesauer
Text: Ellinor Wiesauer

Das Parlament ist nun ein offenes Haus. Dass uns das gelungen ist, erfüllt mich mit großem Stolz. Nicht nur weil es dem Zeitgeist geschuldet ist, sondern weil ich das für richtig und wichtig halte“, so der „Baumeister“ des sanierten Gebäudes am Ring, NRP Mag. Wolfgang Sobotka. Neben architektonischen Details, verbesserter Funktionalität und moderner Technik ist der relevante Neuheitsgrad, dass jeder und jede als Besucher willkommen ist.

 

Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf
Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf

 

Der griechische Stil des Meisterwerks von Theophil Hansen ist dem Geburtsort der Demokratie geschuldet. Nach 135 Jahren ununterbrochener Nutzung wurde das denkmalgeschützte Gebäude generalsaniert und den technischen und funktionalen Erfordernissen des 21. Jahrhunderts angepasst. Der gesamte Prozess dauerte von 2014 (Planungsbeginn) bis zum Start des parlamentarischen Betriebs am 23. Jänner 2023.

Nach der Registrierung, die unbürokratisch vor sich geht (oder vorab erledigt werden kann) empfängt uns Rouven Ertlschweiger M.Sc., der Sprecher des NR-Präsidenten.

 

Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner
Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Besucherzentrum

„Gewaltentrennung – Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung werden auf verschiedene Organe verteilt. Das ist die Grundlage der Demokratie“. 

Das sitzt. Im Erdgeschoß erwarten den Besucher 4,5 Meter lange Wands­tationen mit einem Überblick der Geschichte der Demokratie in Österreich, 13 m2 LED-Wand, Medientische und Videos.

 

Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner
Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

 

Foto: Parlamentsdirektion / Bernhard Zofall
Foto: Parlamentsdirektion / Bernhard Zofall

Plenarsaal

„Das Parlament ist nicht das Vollzugsorgan der Regierung, sondern deren Auftraggeber“ Christoph Kotanko

Das Herz der Demokratie schlägt unter einer Glaskuppel mit 28 Metern Durchmesser.

 

Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner
Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Bundesversammlungssaal

„Die Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen, ausgenommen alle anderen“ Winston Churchill

183 Abgeordnete zum Nationalrat und die 61 Mitglieder des Bundesrats bilden zusammen das dritte parlamentarische Organ. Zwischen dem modernen Plenarsaal und dem denkmalgeschützten, geschichtsträchtigen Bundesversammlungssaal spannt sich der architektonische Bogen.

 

Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf
Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf

Bibliothek

Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.  Artikel I der Bundesverfassung. 

Der Sprachraum der Demokratie ist die führende Bibliothek in den Themengebieten Demokratie, Parlamentarismus, Politik und Recht in Österreich.

 

Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf
Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf

Säulenhalle

„Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ohne Kritik Demokratie geben kann. Damit fängt sie an“ Michail S. Gorbatschow

Hier war Barbara Prammer aufgebahrt, Präsident Van der Bellen empfing hier die Ehrengäste nach der Angelobung und hier finden ausgewählte Empfänge, vor allem im Rahmen von Staatsbesuchen, statt (Helmut Kohl, Indira Gandhi, Ban Ki-moon, …)

 

Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner
Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Demokratiewerkstatt

„Die Grundlage einer Demokratie ist vor allem die Wahrheit“ Simon Wiesenthal

Politisches Wissen, Medienkompetenz und Toleranz kann gelernt werden. Seit 2007 leistet die Demokratiewerkstatt einen nicht hoch genug einzuschätzenden Beitrag zur politischen Bildung und das nicht nur im eigenen Land. Österreich exportiert „Demokratiebildung“ in viele Länder.

 

Foto: Parlamentsdirektion / Anna Rauchenberger
Foto: Parlamentsdirektion / Anna Rauchenberger

Das Kelsen

Es wurlt im Hohen Haus. 

Tatsächlich treffen wir bei unserem Besuch zwei Ex-Bundeskanzler und eine Ex-Außenministerin. Das Parlament ist zum Meeting Point geworden. Man besucht gerne das Fine Dining Restaurant und Bistro und besichtigt das beeindruckende, geschichtsträchtige Ambiente

 

„Verantwortung ist nicht delegierbar“

Nationalratspräsident Mag. Wolfgang Sobotka im Exklusivinterview

 

Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner
Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

 

Der Hobbysportler (Union Mitglied seit 62 Jahren) und passionierte Musiker empfängt uns in seinem Büro im ersten Stock.

Herr Präsident, was verbindet Ihre beiden Leidenschaften?
Ich denke, sowohl die Musik als auch der Sport sind wichtig für die Charakterbildung. Alles, was man im Berufsleben benötigt, lernt man dort: Selbstdisziplin, Präzision, Genauigkeit, Verlässlichkeit, und vor allem, dass Verantwortung nicht delegierbar ist. Frei nach Viktor Frankl, Schicksal ist das eine, aber die Entscheidung, wo Du im Leben abbiegst, triffst Du selbst. Sowohl Musiker, als auch Sportler sind Teamplayer, weshalb ich auch bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Wert drauf lege, dass sie in einem der beiden Bereiche engagiert sind.

Bekannt ist, dass Sie dirigieren, welches Instrument spielen Sie?
Ich komme vom Violoncello, bemerkte aber früh, dass mein Talent für den Profimusiker nicht reichte. Ich hatte dann das große Glück, das Handwerk des Dirigats am Brucknerkonservatorium Linz zu lernen. Wie bei allem gilt auch hier: 95 Prozent sind Transpiration, nur fünf Prozent Inspiration. Ich war dann Leiter der Musikschule Waidhofen an der Ybbs und später Leiter des Musikschulmanagements NÖ und Lehrbeauftragter an der Universität Wien.

Die Baustelle des Jahrhunderts darf man sich wahrscheinlich mit einer fordernden Komplexität vorstellen
Durchaus. Wir mussten das denkmalgeschützte Gebäude ins 21. Jahrhundert führen, ohne es nachhaltig zu beschädigen. Als man, zum Beispiel am Boden mit Presslufthammern zu arbeiten begann, fiel im Bundesversammlungssaal die Stuckatur herunter. Es musste per Hand weitergearbeitet werden, was natürlich Mehrkosten verursacht hat. Das Haus musste komplett digitalisiert werden. Dazu wurden u.a. 2.200 Meter Kabel verlegt. Wir wurden in manchen Bereichen abhörsicher und generell barrierefrei. Gab es vorher gerade mal einen Stromanschluss in den Sälen, so ist nun jeder Abgeordnetenplatz mit Display, Audio- USB-C und Lan-Anschluss ausgestattet. Es wurden ohne Zubau 10.000 m2 zusätzliche Fläche geschaffen, die vorwiegend den Besucherinnen und Besuchern zur Verfügung steht. Die Installierung der 550 m2 großen Glaskuppel über dem Nationalratssaal war technisch eine sehr große Herausforderung.

Neben 90 AuftragnehmerInnen, 500 ArbeiterInnen auf der Baustelle, bei einem Bauvolumen von 423 Millionen hatten wir für alle Bereiche, wie Gastro, Kunst, Ausstellungen, … eine Kuratierung. Anders ist das nicht zu bewältigen.

Abgesehen von Architektur und Technik, war das Projekt inhaltlich von welchen Themen geleitet?
Ich habe für mich ein Leitbild mit vier Schwerpunkten erarbeitet.

  1. Antisemitismus
    Schon aus der Geschichte unseres Landes darf das Thema niemals tabuisiert werden. Antisemitismus ist grundsätzlich antidemokratisch. Er begann nicht mit dem Nationalsozialismus und endete auch nicht damit. Spuren finden sich schon in der Bibel. Heute bietet das Internet leider einen guten Nährboden dafür.
  2. Die Demokratiewerkstatt
    Inhaltlich ist sie ja kein Kind des Neubaus. Die dafür geschaffene Location oberhalb des Plenarsaals ist nun aber repräsentabel und wird u.a. von Schulen sehr gut angenommen. Im baulichen Herzen der Demokratie, im Parlament, vermitteln wir die Werte derselben. Das geht bis zu Workshops zu Fake News und der Nutzung von Internetdiensten. Unsere Demokratiewerkstatt ist übrigens ein richtiger Exportschlager. Wir betreiben sie u.a. in Montenegro, Albanien, Nordmazedonien und dem Kosovo.
  3. Inklusion
    Das behindertengerechte Gebäude ist dafür nur die selbstverständliche Basis. Darüber hinaus geht es auch darum, eine einfache Sprache zu benutzen und einfache Erklärungen zu geben. Das Parlament soll ein Haus für alle Österreicherinnen und Österreicher sein.
  4. Minderheiten
    Die Achtung und Wahrung der Rechte von Minderheiten ist ein Grundpfeiler der Demokratie. Gerade die digitale Entwicklung (Stichwort soziale Medien) ist eine der Hauptbedrohungen der Demokratie.

Wie sieht der Präsident des Nationalrats die allgemeine Demokratiemüdigkeit?
An dieser Stelle darf ich vor einem Irrtum warnen. Unser Monitoring zeigt, dass 92 % der Menschen von der Demokratie an sich überzeugt sind. Was aber leider auch Realität ist, ist der Vertrauensverlust in die Politik und die handelnden Personen. Allgemein scheint Vertrauensverlust in Kirche, Medizin, und Wissenschaft Teil des Zeitgeists zu sein.

Ihr ganz persönliches Highlight?
Die Eröffnung hat mich tief berührt. Meine größte Freude ist aber der Dialog mit den Menschen im Besucherzentrum.