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Birdie, Par, Bogey, Eagle

Faszination Golf

Othmar Prizovsky
Text: Othmar Prizovsky

Spielen Sie schon Golf oder haben Sie noch Sex“ – mit solchen oder ähnlichen Sprüchen machen sich unwissende „Spaßvögel“ über golfbegeisterte Freunde und Bekannte immer wieder lustig. Wenn es um den sportlichen Wert geht, werden Golferinnen und Golfer nach wie vor nur milde belächelt. Zu Unrecht, wie zahlreiche Untersuchungen und Studien mittlerweile längst belegen.

 

 

So legt man bei einer normalen Golfrunde rund zehn Kilometer zurück und bewegt sich dabei rund vier Stunden in der freien Natur – und dies in einem optimalen aeroben Bereich. Von den 434 Muskeln des menschlichen Körpers werden beim Golfschwung 124 regelmäßig beansprucht, was sich natürlich bei regelmäßiger Ausübung positiv auf den Muskelaufbau bemerkbar macht. Pro Runde verbrauchen Golferinnen und Golfer im Schnitt 1.400 Kalorien. Zum Vergleich: Der Energieverbrauch nach zwei Stunden Tennis liegt im Schnitt bei 960 Kalorien, während einer Stunde Jogging werden rund 700 Kalorien verbrannt.

So ist es nicht verwunderlich, dass auch gut trainierte Neueinsteiger nach der ersten Golfrunde am Platz die Strapazen anzusehen sind. Kommen doch beim Golfspiel zu den körperlichen Anstrengungen auch noch die mentalen Herausforderungen. Um den regungslos vor einem liegenden kleinen weißen Ball kontinuierlich sauber zu treffen, bedarf es höchster Konzentration und Körperbeherrschung – und dies über viele Stunden hinweg. Und jeden Fehler, den man beim Golfspiel begeht, muss man auf die eigene Kappe nehmen. Kein Teamkollege ist daran schuld, kein Gegner hat einen dazu gezwungen, was eine weitere besonders herausfordernde Facette an diesem Sport darstellt.

Genau diese hohen technischen und mentalen Anforderungen machen für viele Golferinnen und Golfer den speziellen Reiz aus. Dank des besonderen Wettkampfsystems, das die individuelle Spielstärke jeder einzelnen Spielerin und jedes einzelnen Spielers berücksichtigt, können sich jederzeit Anfänger mit Erfahrenen und Ältere mit Jungen messen. Somit ist der Einstieg in diesen wunderbaren Sport in jeder Altersklasse möglich. Die für die Ausübung des Sports notwendige Platzreife wird in speziellen Kursen in jedem Club durch den dort tätigen Trainer angeboten. Dabei wird, abgestimmt auf die körperlichen Voraussetzungen, das technische Grundgerüst für den Golfschwung vermittelt. Wichtiger Bestandteil der Ausbildung ist auch die eingehende Regelkunde und umfassende Schulung zur Etikette – also dem richtigen Verhalten am Golfplatz, um einen reibungslosen Spielbetrieb sicherzustellen.

Die wichtigste Eigenschaft, die man für die erfüllende Ausübung dieses Sports mitbringen muss, kann einem jedoch kein Coach der Welt beibringen. Wer Golf langfristig spielen und dies „seelisch“ unbeschadet überstehen will, muss Demut lernen. In wohl keinem anderen Sport muss man unabhängig von der Spielstärke derart große Leistungsschwankungen akzeptieren. Nach jedem Wunderschlag droht die Katastrophe, nach jeder Top-Runde das Fiasko. Dies führt letztendlich auch dazu, dass es für jede Golferin und jeden Golfer unabhängig vom Spielniveau immer die Möglichkeit gibt, sich zu verbessern. Oder wie es in einer Golfer-Weisheit beschrieben wird: Man kann Golf nicht gewinnen, man kann es nur spielen….

 

Golfer leben länger

Wer sich diesen Herausforderungen regelmäßig stellt, wird freilich auch umfassend belohnt. Es ist für „Nicht-Golfer“ wohl nur schwer vorstellbar, welch beglückendes Gefühl der Klang eines sauberen Treffers auslösen kann. Wenn der Ball mit wenig Kraftaufwand über bis dahin nicht für möglich gehaltene Distanzen bewegt wird und man dafür das anerkennende Lob der FlightpartnerInnen empfängt – reinster Balsam für die Sportlerseele.

Das Karolinska-Institut in Schweden hat freilich noch viel triftigere Gründe analysiert, warum die Ausübung des Golfsports Sinn macht. In der größten diesbezüglichen wissenschaftlichen Studie wurden im golfbegeisterten Schweden 300.000 Personen erfasst, die nach 1920 geboren und vor 2001 ins schwedische Golfregister aufgenommen wurden. Die Sterbedaten der Personen wurden im staatlichen Sterberegister eruiert. Die eindeutige Erkenntnis aus den Untersuchungen: Ältere Golfer haben eine um rund 40 % niedrigere Sterberate als ihre Altersgenossen mit anderen Hobbys.

Die Erkenntnisse der schwedischen Mediziner gehen noch einen Schritt weiter. So wurde eine Korrelation zwischen dem Spielniveau und dem Lebensalter festgestellt: Je besser das Handicap, desto höher die Lebenserwartung. Die Wissenschaftler begründen dies mit einem nachvollziehbar logischem Argument. Wer ein niedriges Handicap erreichen will, muss öfter spielen und trainieren und übt deshalb den Sport einfach häufiger aus.

Wo liegen die Risiken

Die größten gesundheitlichen Risiken im Golfsport entstehen durch fehlerhafte Technik. Wer zum Beispiel den Golfschwung nur mit den Händen ausführt, ohne den Oberkörper entsprechend einzusetzen, läuft Gefahr seinen Körper einseitigen Belastungen auszusetzen. Golf-Ellbogen und Golf-Schulter als schmerzhafte Konsequenzen dieser Fehlbelastung sorgen für massive Einschränkungen und nehmen die Freude am Spiel. Abhilfe kann dabei nur ein Investment in Ausbildung bieten:

Der Weg zum Golf-Pro ist nicht weit

Weiters ist es wichtig, während der Golfrunde dem Körper unabhängig von den klimatischen Verhältnissen genügend Flüssigkeit und Energie zuzuführen. Als Faustregel kann hier von einem Dreiviertel-Liter alle zwei Stunden und von 400 Kalorien je Runde ausgegangen werden. Wer dies verabsäumt, belastet nicht nur seinen Körper unnötig. Auch die Qualität des eigenen Spiels leidet klarerweise unter den dadurch entstehenden Konzentrationsschwächen. Nicht selten liegt genau darin die Ursache für unerklärlich schlechte Schläge.

Wie bei jeder anderen sportlichen Betätigung ist auch beim Golf eine entsprechende Vorbereitung des Körpers auf die anstehenden Belastungen wichtig. Viel zu häufig wird auf ein entsprechendes Aufwärmen „verzichtet“, der Ball auf Loch 1 „aufgeteet“ und von 0 auf 100 gestartet. Dass dies für Muskeln und Gelenke entsprechende Risiken birgt, liegt auf der Hand. Mit ein paar einfachen Übungen und ein paar geschlagenen Bällen auf der Driving-Range kann dies leicht vermieden werden.

Die größte Gefahr liegt beim Golf aber wie schon so oft in der eigenen Einstellung. Überbordender Ehrgeiz sorgt für zu hohe Spielfrequenz, fehlende Gelassenheit für mentalen Stress. Nur wer Körper und Geist nicht überfordert, kann das Spiel in vollen Zügen genießen.

 

Wichtiger sozialer Faktor

Gerade im fortgeschrittenen Alter spielen die sozialen Kontakte und Begegnungen eine wesentliche Rolle für das gesundheitliche und mentale Wohlbefinden. Die Mitgliedschaft in einem der 170 Golfclubs in Österreich bietet dafür eine hervorragende Gelegenheit. Ob eine gesellige Runde mit Freunden oder die Teilnahme an den zahlreichen Hobby-Turnieren – der gesellschaftliche Faktor kommt spätestens bei der intensiven Nachbesprechung der Runde am 19. Loch (Clublokal) nie zu kurz. Mit Ende 2020 verzeichneten die heimischen Clubs zum zweiten Mal in Folge steigende Mitgliederzahlen, derzeit sind rund 110.000 Golferinnen und Golfer beim österreichischen Golfverband gemeldet. Und viele davon werden wohl dem früheren amerikanischen Top-Golfer Lee Trevino recht geben: Golf ist einfach der größte Spaß, den man mit angezogenen Hosen haben kann…. Also dann: „Schönes Spiel!“