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Versportet

Toni Innauer und Sepp Wiesauer im Gespräch über Erlebnis vor Ergebnis.

Innauer: Du hast für unser Gespräch den Titel „versportet“ gewählt. Was bedeutet das für Dich?

Wiesauer: Sport ist ein unheimlich populäres Phänomen in unserer Zeit. Wir denken immer an Sport und Wettkampf im Sinne von Gewinnen und verlieren. Das verstellt uns oft den Blick aufs Wesentliche, nämlich auf Bewegung, bei der das Erlebnis vor dem Ergebnis steht.

 

Toni Innauer und Sepp Wiesauer

 

I: Meine Übersetzung ist: „Gelingen vor gewinnen“. Der Zugang ist Bewegung, aber es muss attraktiv sein. Im Alter braucht man einen ganz anderen Zugang. Nicht vergessen dürfen wir, wir beide schwärmen von Sport, weil wir die Bewegungen beherrschen.

W: Dafür haben wir viel geübt. Die Kernfrage ist, wie kann ich jemanden so verlocken, dass er Lust auf Bewegung bekommt, zu trainieren beginnt und dran bleibt?

I: Ein guter Coach kann schon einen Riesenbeitrag leisten. Grundsätzlich ist das Glücksgefühl, etwas richtig zu können, kaum zu toppen.

W: Ja, eh, aber …

I: Ein absoluter Dopamin-Kick ist, wenn das Ergebnis die Erwartung übertrifft. Ein guter Coach kann so etwas managen. Vertrauensvorschuss ist ein wichtiger Punkt. Wenn ein junger Athlet das erste Mal zum Skifliegen geht, muss ihm der Trainer glaubhaft vermitteln können, dass er dazu jetzt bereit ist. Fordern, ohne zu überfordern, das ist die Verantwortung des Betreuers.

W: Versportet! Wir sind schon wieder mitten im Leistungssport.

I: Bei Älteren ist oftmals der soziale Faktor, sich nicht blamieren zu wollen, ein Hemmnis. Die ersten Adaptionserscheinungen auf Training an sich selbst zu spüren, ist dann ein großartiger Motivationsschub. Das ist wie beim Garteln, wenn man erntet, was man Wochen oder Monate zuvor gesät hat. Das setzt das Glückshormon Dopamin frei.

W: Wie schafft man es, dass die Leute in Zeiten der instant satisfaction (ich will alles, hier und sofort) zwischen säen und ernten nicht abspringen, denn Tiefschneefahren ist sexy, aber man muss es zuerst lernen.

I: Genau, Tiefschneefahren kann man nicht herunterladen. Paragleiten, zum Beispiel, kann man mit etwas Geschick, einem gutem Lehrer und gutem Umfeld an einem Nachmittag erlernen, Skispringen hingegen nicht.

W: Körperliche Fitness kommt auch nicht über Nacht.

I: Richtig. Unsere Anatomie ist nicht selbstverständlich. Wir müssen sie bewirtschaften. Ein gesunder Körper, und Bewegungen zu beherrschen sind ein wichtiger Teil unserer Gesamtidentität. Wenn ich nicht fit bin, bin ich von meinem biologischen Ast abgeschnitten. Um mich als Mensch komplett zu fühlen, muss ich körperlich fit sein. Nicht zu vergessen, das gesteigerte Selbstwertgefühl durch den Vergleich mit sich selbst, nach dem Motto: Gelingen statt gewinnen.

 

Buchcover Innauer