I am sailing

Naturerlebnis Segeln

Fritz Lackerbauer
Text: Franz Lackerbauer

Betrachtet man die Medaillenbilanz Österreichs bei olympischen Sommerspielen der Neuzeit, so eroberte eine Sportart 10 von 43 Medaillen – nämlich Segeln. Dabei finden sich in Österreich gerade einmal zwei Handvoll besegelbare Seen – trotzdem boomt Segeln in Österreich und ist nebenbei auch ein wesentlicher Faktor für die Tourismusbranche.
Bei der Suche nach den Gründen trennen sich sehr schnell die Wege, denn Segeln hat derartig viele Facetten in den Ausübungsmöglichkeiten, dass eine differenzierte Sichtweise notwendig ist.
Freizeitsegeln beinhaltet vor allem das Erleben und die Auseinandersetzung mit den Elementen.
Beim Fahrtensegeln führt ein Törn teilweise über mehrere Tage oder sogar Wochen von einem Hafen zum anderen. Der Urlaubsgedanke mit Freunden und der Familie steht häufig im Vordergrund.
Regattasegeln ist Wettkampfsport. Vorher abgestimmte Strecken werden von zwei oder mehreren Booten zur selben Zeit nach bestimmten Kursregeln befahren. Die Wettkampfdauer ist im Zuschauerinteresse eher kurz. Segler bei Hochseeregatten können hingegen teilweise tage- oder monatelang unterwegs sein. Bei allen Regattaformen spielt mittlerweile die mediale Aufbereitung eine wichtige Rolle für Veranstalter und Sponsoren.
Sportmedizinische Aspekte wie besondere Belastungs- und Risikofaktoren sind in der Sportart gut dokumentiert, betreffen aber fast ausschließlich den absoluten Spitzensport – diese hier zu beleuchten würde den Rahmen sprengen. Relevant erscheinen nur Aussagen, die ein Ausüben der Sportart nach Herzkreislauferkrankungen und Schlaganfällen ohne Partnerbegleitung als problematisch beschreiben.

Die Hardfacts der Sportart Segeln sind ähnlich wie bei vielen anderen Sportarten: Kraft, Ausdauer, Geschicklichkeit, Teamwork und noch vieles mehr. Das allein stellt außer Frage, dass Segeln Sport ist – oder doch nicht?

 

Segeln in Österreich - Leitartikel - Leben ala carte 1901

 

Grundsätzliches …

Die Geschichte führt uns Jahrtausende zurück, die früheste Abbildung eines Schiffes mit einem Segel stammt aus dem Niltal in Ägypten. Über Jahrhunderte waren Segelboote aller Größen für Entdeckungsreisen, Handelsfahrten und als Kriegsfahrzeuge eingesetzt – erst die Erfindung der Dampfmaschine läutete das Ende der Großsegler ein. Im 19. Jahrhundert wurde die Fortbewegung durch den Wind erst als Freizeitvergnügen und später auch als sportlicher Wettkampf wiederentdeckt und immer mehr gepflegt. Als erster Yachtclub wird landläufig der Water Club of Cork in gehandelt. Er wurde 1720 in Cork in Irland gegründet. In Österreich liegen die Anfänge 1886, der Wiener Union Yacht Stammverein und der Union Yacht Club Attersee waren Herberge für die damals betuchte Klientel, Segeln war zu dieser Zeit ein eher elitäres Vergnügen. Von da an ging es rasch bergauf oder besser aufs Wasser, heute sind laut Auskunft des Österreichischen Segelverbandes an die 75 lizenzierte Ausbildungsstätten und fast 100 Segelvereine mit ca. 16.000 Mitgliedern registriert. Ganz zu schweigen von den Zig-Tausend Freizeitkapitänen und -Innen, die sich, abseits von Verbandszwängen, vom Wind über Österreichs Gewässer treiben lassen.

Wer sind nun im Jahr 2018 die handelnden Personen – immer noch Reiche und Betuchte? Bei weitem nicht – heute ist Segeln für alle leistbar, das Bootsspektrum reicht vom aufblasbaren Katamaran bis zur sündteuren Oldtimeryacht, vom Ultrasportgerät für die Jugend bis zur gemütlichen Fahrtenyacht – da findet sich für Jeden und Jede etwas Passendes.

Worin liegt die Faszination, was sind Gründe, warum wir segeln sollten? Da gibt es doch das berühmte Zitat, wonach Segeln die unbequemste Art sei, auf dem Wasser von A nach B zu kommen.

10 gute Gründe, FÜR’s segeln

1. Gut für den Körper: Beim Segeln wird der ganze Körper beansprucht – Kraft, Ausdauer, Geschicklichkeit und Gleichgewicht sind notwendig, um ein Segelboot optimal zu bedienen. Das ist je nach Bootstyp und Anspruch in vielerlei Niveaustufen möglich – vom Hochleistungssport bis zum Freizeitsegeln.

2. Gut für den Geist: Beobachten, Erkennen, Einschätzen, Analysieren und Entscheiden – abhängig von den jeweils spezifischen Situationen, die uns die natürlichen Voraussetzungen auf der Spielwiese Wasser vorgeben. Geistige Herausforderungen sind mittlerweile aber auch die Angebote der digitalen Welt, die beim Segeln unterstützen können, aber nicht müssen. Vom Puristen bis zum Software-Freak findet sich für alle etwas nach Lust und Laune.

3. Gut für das Sozialverhalten: Wer nicht gerade als „Einhandsegler“ allein aufs Wasser will – was auch seinen Reiz haben kann – findet sich in einem Team wieder. Aufgaben müssen geteilt und Ressourcen hinterfragt werden, Verantwortung und Leadership ist gefragt Nicht umsonst hat Segeln im Team mittlerweile einen fixen Platz in der Ausbildung von Managern. Teambuildingseminare auf dem Wasser boomen, aber auch im Familienverband kann es sehr lehr- und hilfreich sein, einmal Rollen und Aufgaben neu zu definieren.

4. Segeln ist altersstabil: Es kann vom Jüngsten in der Bootsklasse Optimist bis ins hohe Alter ausgeübt werden. Österreichs Aushängeschild Hubert Raudaschl ist ein Beweis dafür, dass speziell bei Hochseeregatten Erfahrung oft über jugendliches Draufgängertum die Oberhand behalten kann. Das Zusammentreffen von jung und alt beim Segelsport fördert gleichzeitig das generationenübergreifende Denken – etwas, das unsere Gesellschaft mehr denn je benötigt.

5. Wettkampf kann, muss aber nicht sein. Durch die Vielfalt von Bootsklassen ist es möglich bis ins hohe Alter an Wettkämpfen teilzunehmen – dazu kommt, dass die Vielfalt des Angebotes von der Segelschul – Abendregatta bis hin zu Weltmeisterschaften in diversen altersstabilen Bootsklassen ein breites Spektrum von Teilnahmemöglichkeiten bietet.

6. Naturerleben: Die Auseinandersetzung mit Wasser, Wind, Wellen, Strömung und Wetterkapriolen benötigt viel Wissen, Planung und Umsicht. Dazu kommen das intensive Erleben von Tages- und Jahreszeiten speziell beim Fahrtensegeln, gepaart oft mit Wolkeneffekten und Lichtschauspielen, die gerade am Wasser ihren besonderen Zauber entwickeln. Ganz wichtig erscheint der Aspekt, dass Segeln grundsätzlich umweltfreundlich ist und schonendes Naturerleben ermöglicht.

7. Segeln ist eine ideale Urlaubsform. Ob auf einem Binnensee oder bei einem Adriatörn mit Freunden – Urlaub auf einem Segelboot ist eine faszinierende Form des Reisens. Wege zurücklegen, Ankern in Buchten, mit kulinarischen Ausflügen in Gastgeberländer eintauchen – fast alle, die einmal Urlaub auf dem Wasser gemacht haben werden zu Serientätern – die Probe aufs Exempel kann nur empfohlen werden.

8. Technische Aspekte: Die Komplexität des Zusammenwirkens von Material und Mensch bietet eine Spielwiese ohne Grenzen. Ob Satellitennavigation oder Wetter–Apps, ob über das Wasser fliegen statt segeln durch Foiling-Systeme – jeder kann – niemand muss. Technik Freaks kommen ebenso auf ihre Kosten wie Puristen, die einfach nur vom Wind getrieben werden wollen. Segelsport kann, aber muss nicht zur technischen Herausforderung werden.

9. Vielfalt: Ob am Binnensee oder auf dem Meer, ob in einer Jolle mit Kentergefahr oder auf einer Familienyacht, ob Urlaub oder Regatta – die Wahlmöglichkeiten sind schier unbegrenzt. Dazu kommen hervorragende Ausbildungsstätten in den österreichischen Segelschulen, die kompetent auf die persönliche Segelzukunft vorbereiten, inklusive dem Erwerb von Befähigungsnachweisen für ihr persönliches Wunschrevier.

10. Gut für die Seele: Last, but not least geht es immer wieder um Glücksgefühle in unserem Leben, um die Ausschüttung von Glückshormonen und um das Erleben jener besonderen Momente, die unser aller Leben so lebenswert machen. Segeln kann von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang solche Momente bieten – es kommt nur auf einen Versuch an.

 

Segeln in Österreich - Leitartikel - Leben ala carte 1901

 

Noch immer nicht genug ?

Dann hilft wohl nur die Tat! Machen Sie die Probe aufs Exempel, probieren Sie einfach mal oder schnuppern Sie. Wo? Ganz einfach, etwa einen Einsteigertag in einer Segelschule, sich selbst bei segelnden Freunden einladen, in einem nahegelegenen Segelclub einfach nur mal neugieriges Interesse zeigen – die Devise ist: „Just do it!“

Mag. Franz Lackerbauer segelt seit Kindheit in verschiedensten Bootsklassen auf Binnenseen und am Meer, initiierte als Sportlehrer Segeln als Freifach an der BHAK Vöcklabruck. Dreifacher Weltmeister in der Shark 24 Klasse als Vorschoter mit Segellegende „Flossi“ Felsecker. Teilnehmer an diversen Hochseeregatten u.a. Antigua Classic 2014, Präsident des Segelclubs Ebensee.

Fotos: Hans Feitzinger, Helmut Klein, Wolfgang Ladin, Lois Nagl, Franz Lackerbauer, PROFS

www.salt.co.at/philosophie/ Segelschule Ebensee am Traunsee