Leben ala Carte – 1802

Bozen – Bolzano

Zu Fuß durch die Stadt der Gegensätze

Doris Auer
Text: Doris Auer

Keine Eile, wir nehmen uns die Zeit, steht auf einem Schild im Outdoor-Lokal von Cobo, dem Wirt und Lebenskünstler. Cobo, dessen wirklicher Name Rino Zullo ist, hat sein Lokal rund um die Marmor-Fischbänke in der Dr.-Streiter-Gasse aufgebaut. Streiten tut hier niemand. Im Gegenteil. Bei Bruschetta und Wein sind alle entspannt und nehmen sich Zeit für Cobos Sprüche. Die in deutscher Sprache verfassten Lebensweisheiten widerspiegeln italienisches Lebensgefühl.

 

Obstmarkt in Bozen
Obstmarkt

 

Bozen ist das Match der Kulturen. Deutsche und italienische Einflüsse prägen Kultur, Sprache und Lebensart (Walther von der Vogelweide am Waltherplatz, Mussolini hoch zu Ross am Gerichtsplatz). Die Landeshauptstadt Südtirols ist Sitz der Landesregierung, Messestandort und Universitätsstadt (Freie Universität Bozen). Bozen ist einerseits Handelsstadt und Industriestadt, andererseits landwirtschaftliches Gebiet und gehört zu den größten Weinanbaugebieten Südtirols. Die Weine werden insbesondere in St. Magdalena, Guntschna und Gries produziert und in der Kellerei Bozen gekeltert.

In fünf Stadtteilen leben ca. 110.000 Menschen. Der Ortsmittelpunkt liegt 262 Metern über dem Meeresspiegel. Die höchste Erhebung ist der Titschengipfel auf 1616 Metern. Die Entfernung zu Innsbruck beträgt 118 km, zu Rom 642 km.

Die mittelalterliche Stadt Bozen liegt in einem Talkessel an den drei Flüssen Etsch, Eisack und Talfer. Rund 1150 wurde mitten durch ein Weingut eine Straße (heutige Laubengasse) errichtet. Rechts und links davon wurde parzelliert und eine Mauer rundherum gebaut. Im 19. Jhd. begann sich der Tourismus zu entwickeln. Das wohl berühmteste Hotel war das Haus auf dem Musterplatz, indem sich heute das Restaurant Kaiserkron befindet. Heute logiert man z.B. im Parkhotel Laurin und chillt von Oktober bis Mai jeden Freitagabend bei Live Jazz in der Bar. Jedes Zimmer im Hotel Greif am Waltherplatz wurde von einem anderen Künstler gestaltet. Im Hotel Figl übernachtet man in einem historischen Haus am Kornplatz.

 

Laubengasse, Cobos Spruchsammlung
Laubengasse, Cobos Spruchsammlung

Zu Fuß in Bozen

Bei einem Cappuccino in einem der lauschigen Gastgärten am Waltherplatz lassen wir die Stadt auf uns wirken. Mit einem solcherart südtirolerisch eingefärbten Gemüt verlassen wir den Waltherplatz in nördlicher Richtung. Am Kornplatz beeindrucken die gotischen Fresken am Waaghaus. Ein putziger Flohmarkt lässt die Atmosphäre des alten Marktplatzes erahnen. Im Gastgarten des Hotel Figl plaudern / parlieren die Bozner bei einem Glas Wein oder einem Espresso. Ganz zu Hause fühlt man sich als Österreicher auf einem der antiken Holzsessel mit der Aufschrift Attila Hörbiger und Paula Wessely.

Vom Kornplatz gelangen wir durch die Waaggasse zur Hauptschlagader Bozens. Beim Betreten der Laubengasse beeindruckt das alte Gemeindehaus mit seinen Fresken. Die leichte Biegung der Lauben verhindert die Sonneneinstrahlung, sodass es kühler ist als auf den offenen Plätzen. Die Häuser in den Lauben sind sehr schmal, dafür sehr lang und haben allesamt zwei bis drei Tiefstockwerke. Um Tageslicht zu haben, wurden offene Stiegenhäuser und eine Lichthaube (nach Süden offenes Dach mit Kamineffekt) gebaut. Die Lauben und ihre Parallelstraßen sind Mittelpunkt des Gewerbelebens. Wir nehmen uns Zeit für einen Spaziergang in den Lauben in beide Richtungen. Beim Rizzolli bildet die Architektur des Hauses mit Halbstöcken und Etagen einen wundervollen Rahmen für die die handgefertigten Hüte und Trachtenschuhe. Im Haus der Tiroler Werkstätten sogt einer der schönsten Räume Bozens – der Gerichtssaal – für den Wow-Effekt.

Über die Hauptschlagader gelangt man in das Herz Bozens – den Obstplatz. An einem der schönsten Plätze, geprägt von Geräuschen, Gerüchen, Handel und Trubel wird man atmosphärisch entschleunigt und das Wandern zum Flanieren. Die Stände bieten tagesfrisch Obst, Gemüse, Käse und Brot. Am Käsestand von Karl Peer naschen wir köstlichen Parmesan, Salami und echten Südtiroler Schinkespeck. So schmeckt Südtirol. Zum Nachspülen gönnen wir uns ein kleines Bozner Bier im Hopfen & Co, denn auch Flanierer brauchen eine Pause. Im Haus der Bozner Bierbrauerei ist ein Teil eines Stadtturmes integriert. Rundum regeneriert erreichen wir das Vögele, ein traditionelles Altstadtlokal mit gotischer Stube und traditioneller heimischer Küche. Probieren sie unbedingt die Schlutzkrapfen.

Es zieht uns weiter in die Museumstraße. Im orangegelben Eckhaus links übernachtete schon Goethe. Dahinter wartet das Ötzi-Museum. Im Archäologiemuseum gingen seit 1998 mehr als 2,5 Mio. Menschen an der Mumie des urzeitlichen Jägers Ötzi vorbei. Wir treffen auf die Talfer. Entlang der Uferpromenade Richtung Süden liegt das Museion. Das Museum für moderne und zeitgenössische Kunst wurde 2008 erbaut. Der 54 m lange Kubus mit einer Höhe von 25 m und einer Breite von 23 m ist gleichzeitig internationales Forschungsatelier. Direkt davor verbinden zwei gebogene Brücken über die Talfer die Altstadt mit der Neustadt. Vom Museion Richtung Osten kommt man über die Spitalgasse zum Dom. Wir bewundern den gotischen Turm, die romanischen Türen und Fenster. Zurück am Waltherplatz beenden wir unsere Bozenrunde.

Eine gute Alternative, Bozen zu „bereisen“, ist das Fahrrad. 48 km Radwege verbinden alle wichtigen Knotenpunkte.

 

Talferpromenade
Talferpromenade

Rund um Bozen

Bozen ist ein lohnendes Reiseziel an sich, aber auch die Umgebung hat vieles zu bieten. Wandert man den Keschtenweg, die Oswaldpromenade am Sonnenhang von Bozen, entlang verschafft man sich einen guten Überblick über Bozen. Altstadt, Neustadt, Weingärten und Industriegebiet sind klar erkennbar.

„Steigst Du nicht hinauf in die Berge, so siehst Du auch nicht in die Ferne.“ Will man höher hinauf nimmt man die Rittner Seilbahn nach Oberbozen. Auf 1.221 Metern verbindet eine Schmalspurbahn Maria Himmelfahrt und Klobenstein. Die Aussicht auf die Dolomiten und die Erdpyramiden aus späteiszeitlichem Moränenlehm ist bemerkenswert. Die Seilbahn nach Kohlern im Osten der Stadt ist die älteste Schwebeseilbahn (1908) der Welt. Ein Must für Bozenbesucher ist das Mountain Museum von Reinhold Messner im Schloss Sigmundskron.

Bozen rangiert traditionell in der Rangliste der Städte mit hoher Lebensqualität sehr weit vorne. Der Zauber der Stadt, geprägt von Altstadt, Café- und Wirtshauskultur, Tradition, Moderne und südlichem Charme nimmt einen schnell gefangen. Einmal hier gewesen versteht man die „Bozner Seligkeit“: Ein Haus in der Laubengasse, ein Haus auf dem Ritten und ein Weingarten.

Typisch Bozen:

  • Karl Peer, Obstmarkt
  • Feinkost Egger, Obstplatz 
  • Metzgerei Schrott, Via Johann Wolfgang Goethe 15
  • Fleischhauerei Windegger, Mustergasse 3
  • Bozner Brot, Kornplatz, Obstmarkt
  • Blumenfenster, Silbergasse 11
  • Messer Lorenzi, Bindergasse 28 
  • Restaurants Kaiserkron, Vögele,Löwengrube, Hopfen&Co
  • Bar Laurin