Schisport 5.0

Wann wird’s mal wieder richtig Winter? Egal! Schifahren ist so außergewöhnlich wie noch nie.

Schilauf unser

Im gepressten Pulverschnee sinkt mein Schi einen halben Zentimeter ein. Wie in Trance carve ich über die Bodenwelle. Ein faszinierendes Schwungerlebnis, Schifahren zum Schreien schön. Gefühlt ist es der 50. perfekte Schwung, noch einmal 20 liegen auf der optimal präparierten Piste vor mir. Bei strahlend blauem Himmel, guter Sicht und minus 2 Grad, gibt mir mein Carving Schi, Radius 17, das Gefühl, ich wäre der beste Schifahrer der Welt. 

Die Erlebnistiefe beim Carven übertrifft die des Tiefschneefahrens. Die Dichte an großartigen Schwüngen (die Genusseinheit des Schifahrens) war noch nie so hoch wie jetzt. Die Basis dafür legen perfekte Pistenpräparierung in Verein mit einer dramatisch gesteigerten Qualität des Maschinenschnees („Sag niemals Kunstschnee“, so Meteorologe Dr. Karl Gabl). Früher musste man 1.000 Höhenmeter aufsteigen, um dann mit etwas Glück 300 bis 400 Höhenmeter hinunter zu powdern, heute gibt es den besten Schwung für vergleichsweise wenig Aufwand. Wir steigen auf den (beheizten) Lift und die zählbaren Genusseinheiten pro Schitag übersteigen unsere physiologischen Möglichkeiten. Am Ende der Kraft sind meist noch Schwünge über. Das Beste daran: Es ist nicht der eine Tag, auf den man als Schifahrer das ganze Jahr wartet, sondern goldener Standard. Jeder Schitag ist so außergewöhnlich wie der andere. 

Die Sportgeräte, Carving Schi und optimal abgestimmter Schischuh, liefern alles, was den Schwung zum Hochgefühl steigert. Mit hochwertiger Funktionskleidung, Helm, beheizten Socken und einer Schibrille, die nicht anläuft, beherrschen wir charmant die kalte Jahreszeit. 

Der Sport hat an Gruppentauglichkeit noch einmal gewonnen. Das schifahrerische Niveau in der Gruppe, die miteinander fährt, wurde deutlich aufgedehnt. Durch die besseren Pistenverhältnisse können wir gemeinsam schwierigere Pisten fahren. 

Trotz der spürbar gestiegenen Preise war der einzelne Schwung übrigens noch nie so billig. 

Die Rechnung:

  • keine kaputten Schier dank perfekt beschneiter und präparierter Pisten
  • viel mehr Schwünge pro Tag durch höhere Transportkapazitäten und geringere Wartezeiten, die sich durch dynamic pricing (bessere Publikumslenkung) noch verringern werden
  • stark gesunkenes relatives Verletzungsrisiko durch bessere Ausrüstung (Helm, kürzere Schier, etc.), bessere Bindungen, besser eingestellt, besser vorbereitete Schifahrer, was die Unfallkosten senkt

Wir haben an vielen Stellschrauben gedreht und den Volkssport Schilauf sicherer und komfortabler gemacht und das Schifahrerlebnis in unglaubliche Höhen gesteigert. Schifahren ist so sexy, wie noch nie.

Last but not least ist die kulinarische Qualität merklich gestiegen. Hatte man früher die Wahl zwischen Germknödel in Plastikanmutung oder einem Paar Würstel, so bieten die Hütten heute meist ansprechende Qualität bis hin zur Haubenküche. Ich persönlich warte nur noch auf eine zeitgemäße Interpretation meiner geliebten Würstlsuppe.

 

Der große Winter

Günther Aigner über die Zukunft des Skitourismus

  • 150 Millionen Schifahrer weltweit
  • 366 Millionen skier visits / Jahr
  • 50 Millionen skier days in Österreich (Wertschöpfung 12 Milliarden Euro)

Noch nie sind so viele Schifahrer so viel schigefahren. Österreich ist Spitzenreiter bei den skier visits. Das widerspricht der öffentlichen Wahrnehmung, dass uns die Schifahrer ausgehen, Schifahren zu teuer ist und der Klimawandel zum Dealbreaker wird. Der Schisport hat ein Imageproblem.

Schiindustrie und Tourismus haben Sorgenfalten: Gehen uns die Schifahrer aus?

Global haben wir ein all time high. Das Wachstum findet aber momentan in Asien statt. China ist der schnellste schitouristische Wachstumsmarkt am Globus. Österreich ist Schitourismus-Weltmeister. Man muss aber wissen, dass der Schilauf überwiegend intrakontinental betreiben wird, d.h. man fährt vorwiegend im eigenen Kontinent Schi.  

Die Preissteigerungen beim Schifahren liegen über dem Verbraucherpreisindex, wie wirkt sich das aus?

Der Preissteigerung steht eine gewaltige Zunahme an Qualität in allen Bereichen gegenüber: Bessere Aufstiegshilfen, bessere Präparierung, bessere Quartiere, etc. etc. Fakt ist aber, die Luxurisierung des Schilaufs kann man nicht wegdiskutieren. Wer allerdings die Qualitätsreise mit Beschneiung, Instandhaltung, Innovation, Bequemlichkeit, … nicht mitmacht der wird am Markt ignoriert. Leistbare kleine Schigebiete müssen schließen. Den Touristikern kann man durchaus Mut zusprechen, denn der teuerste Schitourismusmarkt der Welt, die USA, zeigt dynamisches Wachstum. 

Die Schiläufer gehen uns nicht aus, wie sieht es mit dem Schnee aus, Stichwort Klimawandel?

Ohne Beschneiung geht nichts mehr, aber dadurch ist die Schneesicherheit so groß wie nie. 

Müssen wir Schifahrer uns wegen der Ökobilanz unseres Sports schämen?

Die Faktenlage ist viel besser als das Image. Die technische Beschneiung ist ökologischer als gedacht. Untersuchungen zeigen keine Flurschäden, sondern die schönsten Blumenwiesen auf den Pisten im Sommer. Das Wasser wird nicht verschwendet, sondern im Kreis geschickt und der Stromverbrauch ist relativ gering. Eines muss an dieser Stelle auch gesagt werden, Schiindustrie und Schitourismus haben nachhaltiges Denken so auf der Agenda, wie kaum eine andere Branche. 

Fahren wir im Jahr 2050 noch Schi?

Klares Ja. Und ja, es wird teuer sein, aber das Schifahrvergnügen wird sich noch einmal relevant gesteigert haben. 

Mag. Günther Aigner zählt zu den führenden Forschern zur Zukunft von Schifahren und Schitourismus im deutschsprachigen Raum. Sein Unternehmen „Zukunft Skisport“ berät alpine Destinationen, Schigebiete, Seilbahnsysteme, uvm.

 

Wir haben den Schi gerockt

Franz Föttinger, CEO von FischerSports zur Situation der Schiindustrie.

Wie ist derzeit die Situation am Weltmarkt?

Bis Corona ist der Weltmarkt kontinuierlich auf 3,4 Millionen verkaufte Paar Schi pro Jahr gestiegen. Die Pandemie hat den Markt halbiert. Zurzeit stehen wir wieder bei knapp 3 Millionen Paar. Fakt ist auch, dass der Prozentsatz an Schifahrern in der österreichischen Bevölkerung rückläufig ist. Wir sind schon unter 40 Prozent. Der große Anteil von Migranten an der Bevölkerung hat Schilauf nicht am Radar. Viele können sich das Schifahren auch nicht mehr leisten. 

Welche relevanten Beiträge haben Schi und Schischuhhersteller im letzten Jahrzehnt zur Attraktivierung des Schilaufs geleistet?

Wir haben das Schifahren „gerockt“. Die Schier sind universeller geworden, die Optionen beim Schikauf haben sich deutlich erweitert. Der Allmountain Trend mit dem vorne breiteren Schi und anderer Schaufelbiegung hat zum Schivergnügen einen wesentlichen Beitrag geleistet. Das wird in Österreich weniger sichtbar, da der Schikauf in Österreich und der Schweiz eher Rennsport getrieben ist. Einen noch größeren Beitrag hat im letzten Jahrzehnt ganz sicher die Entwicklung der Schuhe geleistet. Sie sind rundum besser geworden: Besser zu fahren, besser zum Gehen, leichter, bequemerer Einstieg, bessere Haltbarkeit. Auch die individuelle Schuhanpassung hat Fahrt aufgenommen und leistet einen großen Beitrag dazu, dass man den Schitag bis zum Schluss genießen kann. In der Schuhtechnologie ist immer noch viel Luft nach oben. 

Wie wirkt sich der Boom beim Leihschi aus?

Das stellt insofern neue Anforderungen an uns, dass wir besser haltbare Oberflächen brauchen. Der Schi muss zwei Jahre lang schön sein, sonst kommt er im Verleih nicht mehr dran. Von diesem Trend profitiert auch der Käufer. 

Das ökologische Image des Schisports ist enden wollend. Was ist Euer Beitrag zur Nachhaltigkeit?

Wir müssen Ressourcen schonend sein und nachhaltig produzieren. Das ist nicht gerade trivial, hinzu kommt, dass die Bereitschaft der Kunden, einen Mehrpreis zu zahlen, für etwas das zum Schierlebnis nicht unmittelbar beiträgt, überschaubar ist. Beim Schischuh verfolgen wir gerade das Projekt des voll recyclebaren Produktes, mit der gesamten Kette von der Produktion bis zur Rückgabe. Beim Schi wirds das nicht spielen, aber wir verwenden nachwachsende Materialien, Belag und Kanten werden recycelt. 75 Prozent der Energie bei der Schiproduktion fließen in die Presse. Wir sind derzeit bei 110°, wollen auf 90° reduzieren. Das hat aber zur Folge, dass wir dann länger pressen müssen, was auch wieder Energie kostet. Reparaturfähigkeit und nicht wegwerfen ist natürlich im Sinne der Nachhaltigkeit der Anspruch. Dazu müssen Ersatzteile, wie Schnallen, lange verfügbar sein. Das Potential für weitere Verbesserungsmöglichkeiten ist überschaubar, da wir in der Branche uns nicht erst seit gestern mit dem Thema beschäftigen.

 

Wie die Wintersaison 2050 gelingt

Helmut Holzinger, Vorstandsdirektor der Hinterstoder Wurzeralm Bergbahnen, weiß um seine To Do-Liste

Wie ist die Situation der Bergbahnen, wollen Sie jammern?

Nicht einmal auf hohem Niveau hätte das Berechtigung. 12,6 Milliarden Bruttoumsatz im Wintersporttourismus, damit die Nummer zwei weltweit – das Schiland Österreich kann sich sehen lassen, aber nicht zurücklehnen. Die Bergbahnen sind die Leitbetriebe in den Tourismusregionen, nicht nur im Winter. Wir sichern Arbeitsplätze und Wohlstand in den Bergregionen. Erfreulich ist, dass sich der Tourismus außerordentlich resistent gegen Wirtschaftslage und geopolitische Entwicklung erweist. Um diese Resilienz noch zu steigern, ist ein wesentlicher Faktor, dass wir in die 365 Tage Strategie investieren.

Im Winter werden wir uns mit den weißen Bändern abfinden müssen. Die „Südtirol-Winter“ mit wenig Schnee und viel Sonnenschein werden auch bei uns mehr und steigern das Schierlebnis.Für die Gäste bedeuten sie positive Stimmung und mehr Lebensfreude.

Die Qualität des Maschinenschnees hat sich dramatisch gesteigert. Wie ist das gelungen?

Was wir heute tun, kann man mit den Anfängen nicht mehr vergleichen.  Wir kühlen das Wasser in den Staubecken mit Kühltürmen. Lanzen und Schneekanonen haben eine gewaltige technische Entwicklung erfahren.  Wir transportieren den Schnee nicht mehr, sondern beschneien dort, wo wir es brauchen. Mittels KI wissen wir, wann wir wo wieviel Schnee haben und wo wir welchen brauchen. Unser Beschneiungsteam besteht aus 24 Leuten, die in drei Schichten arbeiten. Alles das spürt der Schifahrer unter den Schiern.

Was sind die Hausaufgaben im Winterbetrieb?

Die Pistenpräparierung wird noch verbessert werden. Beschneiung und Energieoptimierung wird durch intelligente KI gestützte Systeme optimiert, die auf Echtzeitdaten der Wetterstationen basieren. 

Die zweite große Kiste, ist eine Antwort auf die demografischen Veränderungen zu finden. Um 2050 genügend Menschen auf den Pisten zu haben, müssen wir vor allem drei Gruppen ansprechen: Menschen mit Migrationshintergrund, die Generation Z und ältere Personen. Dass junge Leute nicht mehr schifahren, stimmt nicht. Dass es weniger sind als früher, ist dem demografischen Wandel geschuldet. Bei der Jugend setzen wir mit geförderten Schulschikursen an. Speziell für die kosten­bewusste Generation Z müssen wir das Angebot diversifizieren. Einerseits beim Kartenangebot, den Sechs-Tage Schipass wird es auch in Zukunft geben, aber es braucht darüber hinaus individuelle Angebote. Auch beim Pistenerlebnis selbst müssen wir sowohl für die Jungen als auch für die Schifahrer über 60 zusätzliche Angebote, wie Schneeschuhwandern, etc. schaffen. 

Fazit: Die Branche ist am Scheideweg. Niedrig gelegene Schigebiete müssen sich neu orientieren. Der Rest muss sich inhaltlich diverser gestalten. Die Sorge, dass dem heimischen Wintertourismus der Nachwuchs abhandenkommt, ist unbegründet.