1+1=3

Christian Putscher und Sepp Wiesauer machen den ultimativen Ernährungscheck

Christian Putscher
Text: Christian Putscher und Josef Wiesauer

Die Halbwertszeit der Trends bei Training und Ernährung wird immer kürzer. Wir ersticken in Information. Was ist richtig, was falsch? Und vor allem, was ist relevant?

Wir essen zu viel

Das stimmt sicher. Das ist teilweise auch kulturell bedingt. Drei Mahlzeiten am Tag gehen sich bei unserer Lebensweise meist nicht mehr aus. Vor allem aber hat unser Essen eine zu hohe Dichte. Das ganze High Processed Food wie Energieriegel oder Eiweißshakes sind, vergleichbar mit Mc Donalds, Kalorienbomben. Sie alle enthalten sehr viel Energie!

 

Foto: istockphoto.com / Drazen Zigic
Foto: istockphoto.com / Drazen Zigic

Nicht essen ist keine Lösung

Die meisten von uns tun zu wenig und essen zu viel, andere wiederum essen viel zu wenig oder nur einmal am Tag aus Angst davor, zuzunehmen. Das ist aber auch keine Lösung und führt in den meisten Fällen genau ins Gegenteil, da der Körper sich an das Wenige gewöhnt und klammert. Wichtig ist: Wir sollten bedarfsangepasst essen. Zwei Tipps: Wir sollten Hunger von Appetit unterscheiden. Ich muss unterscheiden können, ob ich wirklich Hunger habe oder mir nur fad ist. Und das Zweite: Wir brauchen dringend einen Rhythmus. Egal welchen, aber er muss langfristig tragbar und praktisch sein und mir gut tun.

 

Foto: istockphoto.com / DNY59, yulka3ice, AscentXmedia
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Fett

Fette machen fett. Ja schon, aber man muss auch hier differenzieren. Die ungesättigten Fettsäuren wie Omega 3 oder 6 sind essenziell für unseren Organismus, von denen ist es schwer, zu viel zu sich zu nehmen. Die gesättigten Fette sind hochwertige Energieträger, das sogenannte Brot der Wüste, wenn man tagelang marschiert und viel Energie verbraucht. Diese brauchen wir in unseren Breiten weit weniger als gedacht. Das Problem ist, dass Fette wichtige Geschmacksträger, als solche in der Nahrung beliebt und daher leider überpräsent sind.

Zucker

In der aktuellen Dämonisierung des Zuckes steckt wie immer ein Körnchen Wahrheit. An sich ist Zucker unser Hauptenergielieferant und kann als einziger Nährstoff hormonell engmaschig kontrolliert werden. Kritisch betrachten muss man aber auch die unerwarteten Zuckerbomben wie Fruchtsäfte, Smoothies und Co. bzw. die versteckten Zuckerarten in Müsliriegeln, aber auch in Soletti und Ketchup, wo wir diese nicht wie den Staubzucker am Krapfen oder den Honig auf dem Brot wahrnehmen. Was aber wichtig wäre, denn nur wenn wir ihn erkennen, befriedigt er die Lust auf Süßes. Außerdem muss Essen schmecken, das ist wichtig für den Lustgewinn. Leider schmecken wir aber den Blutzuckerspiegel oder Kohlenhydrate nicht. Unser Geschmack gibt keine zuverlässige Auskunft darüber, wie gesund das ist, was ich gerade esse.

 

Foto: istockphoto.com / AlexRaths, DNY59, jtA
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Trinken

Trinken ist wichtig, Unser Organismus besteht zu 65 % aus Wasser. Die „Trinkdisziplin“ nach der Stoppuhr ist aber übertrieben und schwer lebbar. Es genügt, wenn man drei- viermal am Tag genügend Wasser trinkt, zwei Liter sollten es aber auf jeden Fall sein.

Bewegung

Ohne Bewegung gibt es kein gesundes Leben. Der primäre Reiz ist die körperliche Belastung, der Verbrauch von Energie. Der sekundäre Reiz ist die adäquate Ernährung zur Wiederauffüllung der Ressourcen. So funktioniert unser Organismus. Wer nicht viel verbraucht, muss nicht viel auffüllen. Wie sich der Körper an weniger Essen gewöhnt, gewöhnt er sich aber auch an Bewegung. Eine der wesentlichen Adaptionen an Training besteht darin, dass der Körper lernt, mit weniger Energie mehr zu leisten. Abnehmen durch Bewegung ist daher auch ein endlicher Prozess. Und noch etwas: Ohne Muskeln gibt es keine Fettverbrennung. Nur in der Muskelzelle wird Fett verstoffwechselt. Das wird vor allem für Menschen im höheren Alter gerne vergessen.

Wann essen?

Die Speicher müssen dann gefüllt werden, wenn sie leer sind. Essen ist grundsätzlich die Basis der Wiederherstellung. Wenn die Energiespeicher leer sind, können wir das „Open Window“ nützen und die Nährstoffe zuführen, die der Körper zu Regeneration braucht. Unsere Hauptregenerationszeit ist der Schlaf. In der Nacht kommen die Nährstoffe ins Blut und geben uns die Energie, die wir am Tag brauchen.

Nahrungsergänzungsmittel

Der Name ist Programm. Bei einer ausgewogenen Ernährung braucht man das nicht. Die Basis für eine gesunde Ernährung liefern der Garten und der Bauer. Das Gute wächst vor der Tür, nicht in der Apotheke. Es kann Lebensphasen geben, in denen Nahrungsergänzung angezeigt ist. Dabei sollte man auf Nachhaltigkeit bedacht sein und eine langfristige Vision für seine Ernährungsgewohnheiten entwickeln. Letztlich braucht es immer ein lebenslanges Konzept für Ernährung und Training.

Unverträglichkeiten und Intoleranzen

Nicht jede Reaktion des Körpers deutet auf eine Intoleranz hin. Viele Dinge, die wir als unverträglich bezeichnen, sind wir ganz einfach nicht gewohnt. Wenn ich beim Training täglich eine neue Übung mache, erreiche ich keine Adaption. Auch das Verdauungssystem muss man trainieren. Wenn ich das erste Mal oder nach langer Zeit Liegestütze mache, ernte ich einen Muskelkater. Das ist aber keine Liegestützunverträglichkeit, sondern vielmehr ein Zeichen des Adaptionsvorganges. Rohes Gemüse und Sauerteigbrot beispielsweise sind für den Darm eine Übung, an die er sich gewöhnen muss.

Diät

Diät kommt von diaita (altgriechisch) und bedeutet eigentlich geregelte Lebensführung. Was laienhaft als Diät tituliert wird: Eine kurzeitige Umstellung der Ernährungsgewohnheiten ist nie nachhaltig. Es geht um die lebenslange „Diät“, die lebbar und vernünftig ist, so wie es auch einen lebenslangen „Trainingsplan“ braucht.

Wie geht’s?

Wir arbeiten nicht mit Blutzuckerspiegel, Cholesterin und BMI, sondern wir müssen den Menschen mit all seinen Wünschen und Bedürfnissen als Ganzes ins Boot holen. Essen ist individueller als der Fingerprint. Es geht bei der Ernährung um Selbstreflexion. Nur wenn ich weiß, wie mein Körper tickt, kann ich mich richtig ernähren. Praktisch geht es um Selbstmanagement. Ein Training zu organisieren und ein Essen zuzubereiten sind Managementaufgaben. Trainieren und kochen bedeutet Wertschätzung für sich selbst. Kombiniert man Bewegung mit richtiger Ernährung entsteht ein Mehrwert für die Lebensqualität, im Sinne von 1+1 = 3.