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New Sports

Sport neu - denken

Tennis, Basketball, Golf, Ski fahren, Eislaufen– das war früher. Für die community des New Sports hat das den Beigeschmack von Ritterspielen. Die Kids machen auf Ninja Warrior geben sich die stehende Welle, breaken, bouldern, SUPen, skimboarden, wakeboarden und spielen Spike Ball. Lifestyle und Gruppen­dynamik sind zentrale Motivation.

 

 

Das gemeinsame Performen steht über dem kompetitiven Gedanken, das Verbindende vor dem Trennenden. In den letzten Jahren haben neue Sportarten in Bezug auf Reichweite, Teilnehmerzahl und Performance eine beachtliche Entwicklung hingelegt. Facebook und Co sind ein Trägermedium mit Boost. Auf den ersten Blick ist es keine einfache Übung zwischen kurzfristigen Fades und überdauernden Trends zu unterscheiden. Auch zum jetzigen Zeitpunkt wäre ein Urteil in Bezug auf so manche Sportart voreilig. Jene, die wir vor den Vorhang holen haben, mit Ausnahme von Parkour, den Sprung in die olympische Sportfamilie geschafft.

 

 Mag. Reinhold Scherer, Geschäftsführung Kletterzentrum Innsbruck
Mag. Reinhold Scherer, Geschäftsführung Kletterzentrum Innsbruck

Brain washing

Klettern macht Spaß, ist gesund, hält fit und findet überdies in der freien Natur statt.

Nur beim Klettern gelingt es mir, vollständig abzuschalten und mal durchzulüften. Da habe ich keine Zeit, über andere Dinge nachzudenken. Da bin ich vollkommen mit mir, dem nächsten Griff und den nächsten Bewegungsabläufen beschäftigt. Wenn ich vom Klettern nach Hause komme, bin ich vom Alltag gereinigt, so zu sagen „brain washed“ und fühle mich extrem entspannt, obwohl ich alle Muskeln spüre.

Gerade dieses Aufgehen im eigentlichen Tun ist bezeichnend für das Klettern. Unbewusst werden viele Bewegungen quer durch alle Körperpartien voneinander differenziert, um sie anschließend in einen flüssigen Bewegungsablauf wieder zu koppeln. Allein für das Weitergreifen in einem Überhang wird bei technisch guten Kletterern zuerst über ein Fersenspiel das Knie eingedreht, dann die Hüfte zur Kletterwand gebracht und anschließend mit einem leichten Hüftkippen der Oberkörper und die Schulter an der Wand entlang nach oben gebracht. Erst dann kann das Weitergreifen erfolgen.

Klettern macht Spaß, ist gesund, hält fit und findet überdies in der freien Natur statt. Und das Schöne und wirklich Außergewöhnliche daran ist, dass unser Sport, egal ob beim Klettern mit Seil oder beim Bouldern in Absprunghöhe quer durch die Altersgruppen und quer durch die Gesellschaftsschichten alle Menschen erreicht. In den modernen Kletter- und Boulderhallen wird ersichtlich, dass der Trend voll zum Bouldern geht und dass auch die Selbstsicherungsautomaten, wo kein Partner mehr notwendig ist, extrem gut angenommen werden. Und um mit einem Missverständnis aufzuräumen: In senkrechten Wänden und geneigten Platten kann man sich auch mit etwas mehr Gewicht hervorragend bewegen.

Bouldern in Absprunghöhe kann man alleine und es ist einfach erlernbar. Bouldern ist weniger ausdauernd, dafür aber um einiges kräftiger und meist viel spielerischer und koordinativer. Hier muss vor allem das richtige Abklettern bzw. Abspringen erlernt werden, denn dabei passieren die meisten Unfälle. Die meisten Kletter – und Boulderhallen bieten Grund- und Vorbereitungskurse an, damit einem sicheren und freudvollen Klettern nichts im Wege steht.

Mag. Reinhold Scherer, Geschäftsführung Kletterzentrum Innsbruck

 

Martin Oberleitner, Riversurfer
Martin Oberleitner, Riversurfer

The Wave

Surfen auf stehenden Wellen erfreut sich in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit. Riversurfen und hat seine Wurzeln in München, wo bereits in den 1970er Jahren am Fluss auf stehenden Wellen gesurft wurde. So wie der Arlberg die Wiege des Skilaufs ist, so ist das der Münchner Eisbach für die Riversurfszene. Aber warum?

Um den Sport auszuüben, braucht es sehr spezifische Bedingungen. Voraussetzung ist eine genügend hohe Stufe im Flussbett, über die eine bestimmte Menge an Wasser fließt. Passen diese Parameter zusammen entstehen stationäre Wellen. Ist die Stufe im Fluss groß genug, können diese surfbar sein.. Genau dieses Phänomen tritt am Eisbach rund um die Uhr, das ganze Jahr über auf und ist der Grund für die Entstehung der Surfszene in München abseits jeglicher Meere.

Man kann aber auch ohne Eisbach in natürlichen Flüssen riversurfen. Im Frühling mit dem Einsetzen der Schneeschwmelze steigen die Wasserstände der Flüsse und man findet an geeigneten Stellen stehende Wellen vor. Als Riversurfer verfolgt man ständig den Wetterbericht und hofft auf Regen, wodurch die Flusspegel steigen und das Surfen ermöglicht wird.

Im Mai 2020 öffnete THE.RIVERWAVE, die größte künstliche Flusswelle Europas, in Ebensee in Oberösterreich. Hier trifft sich die Szene, sowohl Anfänger, als auch Profis. Es ist der perfekte Spot für den Einstieg in diese faszinierende Sportart. Das Schöne dabei ist, dass man alle Altersgruppen antrifft. Von unermüdlichen Kids bis hin zu gemütlichen Oldies – jeder kann diese Sportart ausüben, vorausgesetzt man kann schwimmen, hat ein Board und einen Neoprenanzug. Neben dem einzigartigen Gefühl, stehend übers Wasser zu gleiten, schult Riversurfen das Gleichgewicht und trainiert vor allem die Rumpf und Beinmuskulatur. Spätestens nach dem Zurückpaddeln ans Ufer, merkt man das ganzheitliche Workout. Riversurfcontests und die Tatsache, dass Surfen olympisch ist, wird den Boom weiter befeuern.

Martin Oberleitner, Riversurfer

 

Maximilian Neuböck, CEO THE.RIVERWAVE

Auf der RIVERWAVE in Ebensee kann jeder den neuen Trendsport ohne Vorkenntnisse in wenigen Stunden erlernen. Maximilian Neuböck, CEO THE.RIVERWAVE

 

Lukas Steiner, GF 4 Elements Academy
Lukas Steiner, GF 4 Elements Academy

Think free, move free, live free

Die öffentliche Darstellung spektakulärer Bewegungen verschleiert die ursprüngliche Idee der umfassenden Gesundheitsförderung.

Parkour ist Bewegungstrend, Philosophie und Sport. Vor 2007 sorgten nur einzelne Traceure mit ungewohnten Bewegungsformen und akrobatischen Meisterleistungen in schwindelerregender Höhe für Aufsehen im öffentlichen Raum. Ab dann stieg der Bekanntheitsgrad durch Red Bull Art of Motion, oder die Verbreitung über Social-Media-Kanäle. Die öffentliche Darstellung spektakulärer Bewegungen, um maximale Aufmerksamkeit zu erregen, verschleiert die ursprüngliche Idee der umfassenden Gesundheitsförderung. In der Öffentlichkeit entstand das Bild einer riskanten Extremsportart. Der Leitspruch „Sei stark um nützlich zu sein“ erklärt einfach, worum es bei dieser jungen Bewegungskunst geht, nämlich um eine vielfältige Entwicklung der eigenen Potentiale auf höchstem Niveau. Dies dient der eigenen Gesundheit und dazu, hilfsbedürftige Menschen zu unterstützen. Auf soziale Aspekte wird viel Wert gelegt.

Ich habe mich als ehemaliger Profisportler und nunmehriger Vizepräsident des Österreichischen Parkour und Freerunning Verbands voll und ganz der Szeneförderung verschrieben. Mit meiner Firma 4 Elements Academy arbeite ich in Österreich an der Schaffung idealer Infrastrukturen für Training, Aus- und Fortbildung. Vordergründige Ziele sind dabei Qualitätssicherung und die Bewahrung der ursprünglichen Idee von Parkour. Am Standort Hall in Tirol bieten wir das größte Parkour- und Freerunningcenter. Parkour hat ein großes Potential für die Gesundheitsförderung, ist für alle zugänglich ist, kennt keine Grenzen und muss keine Normen erfüllen.

Lukas Steiner, GF 4 Elements Academy

 

Maximilian Rosenberger, 2. Platz Urban Playground 2020
Maximilian Rosenberger, 2. Platz Urban Playground 2020

Footwork und Powermoves

Nach dem erfolgreichen Debüt bei den olympischen Jugend-Sommerspielen 2018, blickt die Tanzwelt mit großen Erwartungen auf Paris 2024.

Breaking ist der Tanz der Hip-Hop-Kultur. Oft wird Breaking als Breakdance bezeichnet, was historisch gesehen falsch ist. Daher meiden wir den Namen so gut es geht. Die Aktiven dieses Tanzes nennt man B-Girls und B-Boys. Sie tanzen zu Musik, die meist von einem DJ gespielt wird. Breaking hat seine Ursprünge in New York. Dort „breakten“ die Jugendlichen auf Partys, in Parks oder in den Straßen. Nun steht Breaking im Programm der Olympischen Spiele 2024 in Paris.

Wie andere Tanzstile, hat auch Breaking seine Grundlagen. „Powermoves“, die akrobatischen Bewegungen wie Headspins, sind bei den Massen bekannt. Footworks sind die Moves, die man am ehesten als Essenz dieses Tanzes bezeichnen kann. „Footwork is, what makes the dance, the dance“, so äußern sich zahlreiche Pioniere des Tanzes zur Wichtigkeit der schnellen Beinbewegungen.

Nach dem erfolgreichen Debüt bei den olympischen Jugend-Sommerspielen 2018, blickt die Tanzwelt mit großen Erwartungen auf Paris 2024. Von den Zuschauerzahlen bis zur Medienpräsenz bei den Battles – alles war unvergleichbar hoch, verglichen mit anderen Disziplinen dieser Jungendspiele. Breaking bringt etwas extrem Frisches und Junges zu diesen mittlerweile wieder „antiken“ Spielen. Wichtig ist, dass die New Yorker Essenz im Boom nicht verloren geht.

Breaking ist viel mehr als reiner Sport: Als Tänzer ist man gleichzeitig Künstler und Sportler. Meiner Meinung nach ist der sportliche Aspekt nur die Grundlage, um das Künstlerische auszudrücken.

Maximilian Rosenberger, 2. Platz Urban Playground 2020

 

© ÖOC/GEPA
© ÖOC/GEPA

Olympisch sein, oder nicht sein?

Christoph Sieber im Interview

Ist es für eine Sportart existentiell, olympisch zu sein?
Fakt ist, dass ein Sport durch die Olympia­präsenz den ultimativen Boost bekommt, denn es müssen Wettkampfformate, Verbandsstrukturen, Trainingsbedingungen, Sportstätten, …. geschaffen werden. Nationen investieren in olympische Sportarten, somit fließt Geld.

Anders gefragt, gibt es Sporarten, die einen Imageschaden erleiden, wenn sie zum Establishment gehören?
Aber ja, es gibt auch die Community der Olympiaverweigerer. Bei Sportarten mit hohem Lifestyleanteilen, wie z.B. beim Skateboarden gibt es eine Szene, die sagt: „Unser Sport gehört auf die Straße, nicht ins Stadion. Wir brauchen keine Wertungen und keine Wettkämpfe“.

Wie wird eine Sportart olympisch?
Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zuletzt hat es sich durchgesetzt, dass außer den Kernsportarten, die sowieso im Programm sind, der jeweilige Veranstalter sich fünf Sportarten zusätzlich aussuchen darf. Tokio hat Baseball / Softball, Wellenreiten, Klettern, Skateboard und Karate gewählt. Sportarten müssen sich letztlich auch beweisen, wie es z. B. das Klettern geschafft hat. Breaken ist in Paris dabei, weil es sich bei den Jugendspielen in Buenos Aires fulminant präsentiert hat.

Bedeutet das für die Zukunft einen ständigen Wechsel?
Das IOC ist natürlich trotz dieser Regel bemüht, dass nicht jede Olympiade anders ist. Paris (2024) hat sich den sogenannten urban sports verschrieben und trägt damit der demografischen Entwicklung, also der Urbanisierung der Welt, Rechnung. Skateboarden, Wellenreiten und Klettern bleiben im Programm, hinzu kommt z.B. Breaken. ich denke, auch Los Angeles (2028) wird sich diesem Trend weitgehend anschließen.

Christoph Sieber, Leiter Sport ÖOC, Windsurf-Olympiasieger 2000