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Ecce Homo, Ecce Ludi

So ist der Mensch, so sind die Spiele

Unser Stadion ist die Straße! Wir brauchen keine Wertungsrichter und keinen Wettkampf“, sagt eine bibelfeste Szene von Skateboardern dazu, dass ihre Sportart in Tokio erstmals olympisch ist. Breaking (sag niemals Breakdance!) ist mehr als reiner Sport. Der Tänzer ist zuerst Künstler, dann Sportler. Körperliche Fitness ist Mittel zum Zweck, um das Künstlerische auszudrücken. Die gemeinsame Freude über eine gute Performance ist mehr wert als der Sieg. Zumindest die Bezeichnung Battle für den Wettkampf ist dann nicht wirklich sorgfältig gewählt. In ihrer Einstellung zu Olympia sind sie schon weiter. Sie wollen mit ihrer jungen Disziplin etwas „Frisches“ in die mittlerweile wieder „antiken“ Olympischen Spiele bringen. Parkour kommt als riskante Extremsportart daher. Die Selbstwahrnehmung ist eine andere. Bei der jungen Bewegungskunst geht es um Gesundheit, bei gleichzeitig hohem sozialen Anspruch. Nach dem Motto: „Sei stark, um nützlich zu sein“, entwickelt man körperliche Leistungsfähigkeit auf höchstem Niveau, um der Gesellschaft zu dienen, so Lukas Steiner, Vizepräsident des österreichischen Parkour- und Freerunningverbands. Beim Mannschaftssport mit der Frisbee Scheibe (Ultimate) gibt es keinen Schiedsrichter. Die Spieler müssen sich untereinander über Fouls, Freiwürfe, etc. einigen, was hohe Anforderungen an Charakter und Moral stellt.

Das gemeinsame Credo der „neuen“ Trendsportarten, ist der hehre Anspruch. Förderung der Gesundheit und Prävention sind zentrale Intention, bei gleichzeitig hohem Anspruch an die Kardinaltugenden. Das Verbindende ist wichtiger als das Trennende, gemeinsam auf höchstem Niveau zu performen steht über Wettkampf und Sieg.

Dabei sein ist alles! Als Pierre de Coubertin 1896 die olympischen Spiele gründete, hatte er eine ähnliche Vision. Daraus wurde tatsächlich der bedeutendste, völkerverbindende Event der Menschheitsgeschichte. Die Völker der Erde, alle Rassen, unterschiedlichste Ethnien, Menschen mit verschiedensten Religionen messen sich friedlich im Wettkampf.

Zugleich war dies aber auch der Start zum größten medizinischen und sozialen Projekt aller Zeiten. Doping, Bestechung, Wettbetrug, etc. sind negative, allzu menschliche Nebengeräusche. In ihrer pubertären Phase entwickeln Sportarten einen Wertekanon, der oftmals irgendwo auf dem Weg zu Ruhm, Glorie und Geld auf der Strecke bleibt.

Veröffentlicht in Essay