Kopfsache

Der Hut ist mehr als eine Kopfbedeckung

Ellinor WiesauerUniv. Prof. Dr. Roland Girtler
Text: Ellinor Wiesauer und Roland Girtler

So a Huat is fesch. Mit dem kann man eigentlich olles tuan, außer unter d‘Leit gehn!“ So wird man als Hutträger am Naschmarkt vom Wiener Original Gerhard Urbanek begrüßt.

Im Salzkammergut kursieren heute noch Geschichten darüber, wie es früher war, wenn man sich einen neuen Hut leistete. Der Besuch beim Ausseer Hutmacher war ein „Event“ auf drei Tage. Nicht weil der Hut maßgefertigt wurde, sondern weil der Erwerb eines „Schneidgehers“ in vielen Gaststätten, bei reichlich Alkohol und Musik, erst diskutiert und dann gefeiert werden musste. Bei der Heimkehr war die Kopfbedeckung dann schon ein alter Hut.

 

Kopfsache. Der Hut ist mehr als eine Kopfbedeckung

 

Noch in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts war der Hut fixer Bestandteil der Garderobe des Mannes. Heutzutage ist man als Hutträger ein Exot. Karl Valentin war seiner Zeit voraus. Dem Modediktat folgend, dass es modern sei, keinen Hut zu tragen, ging er in ein Hutgeschäft und kaufte sich keinen Hut. Auch wenn er durch das Revival der Tracht wieder mehr und mehr in Mode kommt, ist der Hut weit davon entfernt zur Standardgarderobe zu zählen.

 

Kopfsache. Der Hut ist mehr als eine Kopfbedeckung

Kulturgut

Seit 5.000 Jahren bekannt, war die Kopfbedeckung am Anfang Personen in übergeordneter Stellung, Priestern, Herrschern, Königen, vorbehalten. Der vornehme Grieche trug auf Reisen und bei der Jagd den breitrandigen Petasos, Handwerker setzten eine runde Kappe, den Pileus, auf. Im römischen Reich war der Hut ein Symbol der Freiheit, weshalb Sklaven bei der Freilassung einen Hut erhielten. Kopfbedeckungen waren seit jeher Symbol der Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht oder Volksgruppe. So war der Strohhut das Zeichen der Sachsen. Wie hoch die Symbolkraft des Hutes war, zeigt die Geschichte Willhelm Tell‘s, der sich weigerte, den Hut als Zeichen der Obrigkeit und der Anerkennung der Fremdherrschaft zu grüßen. Im 18. Jahrhundert kamen die Frauen „unter die Haube“. Verheiratete mussten eine Haube tragen, um ihr Haar zu bedecken. Bei den Herren setzten sich Zylinder und Melone durch. Der Einsatz von Maschinen ermöglichte schließlich eine Vielfalt an neuen Formen. Die populärsten wie Trilby, Fedora, Western, Pork Pie oder Cloche sind bis heute stilgebend.

 

Kopfsache. Der Hut ist mehr als eine Kopfbedeckung

Hut ab

In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts erlebte die Hutkultur eine letzte große Blüte. Von nun an ging‘s bergab. 1961 wurde der erste US-Präsident hutlos angelobt. John F. Kennedy war Vertreter des ungezwungenen Lifestyles der 60er. Die Kulturrevolution der 68er belegte den Hut mit dem Nymbus des Althergebrachten, Biederen. Die Frisurenkultur der Hippies, in Verein mit der Verbreitung des Autos tat den Rest. Bis heute gilt ein Hutträger am Volant als der Sonntagsfahrer per se. Hut war endgültig out. Den Weg zurück in die Standardgarderobe fand er nicht mehr, aber die Kopfsache ist heute als Modeaccessoire und Statement wieder sehr präsent.

Fakt ist, ein Hut prägt seinen Träger. Charlie Chaplin wäre ohne Melone ein einfacher Clown. Hut und Stock unterstreichen auch optisch den Tiefsinn seiner Botschaften. Clint Eastwood und John Wayne ohne Cowboyhut? Unvorstellbar. Laurel und Hardy (Zylinder und Melone), Sherlock Holmes mit Deerstalker und Pfeife, wären ohne ihr Markenzeichen nicht die perfekte Filmfigur. Humphrey Bogart war der Namensgeber für die klassische Herrenhutform Fedora, die auch der ständige Begleiter von Udo Lindenberg ist. Niki Lauda hingegen, gab pragmatisch dem roten Kapperl den Vorzug und erhöhte damit die gesellschaftliche Akzeptanz der Schirmkappe. Last but not least wäre es not amusing, sich die Queen ohne Hut vorzustellen. In der jungen Generation halten Justin Timberlake, Lady Gaga und Jan Delay den Hut hoch.

 

Hutmacherin in 6. Generation, Katharina Bittner aus Bad Ischl, bei der Arbeit
Hutmacherin in 6. Generation, Katharina Bittner aus Bad Ischl, bei der Arbeit

So geht Hut

Das Filzen ist eine alte Textiltechnik. Früher wurde fast ausschließlich Schafwolle verwendet (Wollfilz). Heute wird sehr viel Haarfilz pro­duziert. Für einen Hut braucht man 100 bis 200 Gramm Haare, das entspricht z.B. drei Kaninchenfellen. Die sind besonders gut geeignet, da das einzelne Haar (im Mikroskop) wie ein Tannenzapfen aussieht und sie sich aufgrund dieser Form sehr gut verhaken. Das Material wir dadurch sehr fest, so Hutmacherin Katharina Bittner.

Auf der Fachmaschine entsteht ein dünner Rohstumpen, der anschließend gewalkt wird. Der Stumpen kommt dann in ein Stärkebad. Anschließend wird er in Wasserdampf in Form gezogen und danach kommt er für zwei Tage in die Trockenkammer. Jetzt geht es an die Endausfertigung. Mit dem Bügeleisen wird das Kronendach eingebügelt. der richtige Strich frisiert, der Rand abgeschnitten und eingefasst. Zuletzt wird das gute Stück garniert. Kordel, Schleifen, die berühmte Auerhahnfeder, ein Gams- oder Dachsbart – hat man alles unter einen Hut gebracht, ist ein Unikat entstanden, das seinen Träger unverwechselbar macht. Im Salzkammergut drückt man mit der Garnitur, aus, wer oder was man ist, oder sein will. Jäger, Schnitzer, Fischer, Vogelfänger, Musikant, … jeder steckt sich seine Identität sprichwörtlich auf den Hut.

„Habe die Ehre!“

Prof. Dr. Roland Girtler, der stets gut behütete, vagabundierende Soziologe über Geschichte und Bedeutung des Hutes.

Das Ziehen des Hutes voreinander war die Ehrenbezeugung der Herren schlechthin. Der Hut hatte von jeher zwei Funktionen: Natürlich die Schutzfunktion. Er schützt den Träger vor Sonne, Wind und Wetter, auf der Baustelle schützt der Helm den Kopf des Bauarbeiters, so wie im Krieg den des Soldaten. Die Symbolfunktion reicht bis in die Urgeschichte zurück. Ein Hut verleiht grundsätzlich Würde, niemals durfte jeder jeden Hut tragen. Im Wirtshaus in Spital am Phyrn setzte sich ein Bauer neben seinen Knecht. Während er selbstverständlich seinen Hut aufbehielt, riss er ihn dem Knecht vom Kopf. Königen und Bischöfen verliehen Krone und Bischofshut ihre Würde, aber auch zur Erniedrigung diente die Kopfbedeckung. Das Symbol schlechthin dafür ist die Dornenkrone. Im Mittelalter mussten sich Juden durch einen gelben Spitzhut zu erkennen geben. Ein Hut verleiht Status. Deutlich sichtbar ist das bis heute bei den Studentenverbindungen an der Mütze. Im Alltag kann nicht jeder jeden Hut tragen. Mit einem Goiserer Hut am Attersee? Geht gar nicht. Den „Schneidgeher“, den mir Sepp Wiesauer geschenkt hat, trage ich in Wien natürlich nicht. Univ.