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Wir altern vital!

Mick Jagger (82) performed und tanzt auf der Bühne wie ein Pubertierender. Keith Richards (82) musste vor einigen Jahren Konzerte absagen. Er ist von einer Palme gestürzt. Astrid Lindgrens Aussage: „Es gibt kein Verbot für alte Weiber, auf Bäume zu klettern“, gilt also geschlechterübergreifend. „Ich resigniere vital“, sagt Gerhard Polt (83). Nicht gerade als Fitnessfreak bekannt, geht er nicht mehr joggen, aber regelmäßig walken. Keith Richards hat dem Rauchen abgeschworen. Wie Mick Jagger beschäftigt er eine Armada an Fitness Coaches. Beim Thema „Erfolgreich altern“ sind wir endgültig angekommen.
„Die Jugend wäre eine noch viel schönere Zeit, wenn sie etwas später im Leben käme“, Charlie Chaplins Traum ist Realität geworden. Der Großteil der Senioren ist fit und fühlt sich jugendlich. Die Zahlen zur Gesundheitserwartung sprechen eine klare Sprache, auch wenn sie Österreich leider nicht als Musterschüler ausweisen. Im Durchschnitt darf sich der 65jährige EU-Bürger auf 10,3 weitere gesunde Jahre freuen. Der alte Schwede ist nicht nur sprichwörtlich, sondern real. Er steht mit 65 noch vor 16,2 Jahren. Die Österreicher liegen mit 7,7 Jahren unter dem EU-Schnitt und, was besonders schmerzt, die Schweden verbuchten zwischen 2009 und 2109 ein Plus von 3,5 Jahren, bei den Österreichern schlägt im selben Zeitraum ein Verlust von 6 Monaten zu Buche.
Gesundheit ist stumm
Wir sind gesund, um es zu vergessen. Anders als im Krankheitsfall tut uns kein Körperteil kund, dass es ihn gibt. Wie soll man in dieser beneidenswerten Situation jemand davon überzeugen, für seine Gesundheit aktiv zu werden? Das macht Prävention zur Sisyphusarbeit.
Privileg Anstrengung
Ob und wieviel jeder für seine Gesundheitsvorsoge tut, ist eine zutiefst persönliche 0/1 Entscheidung. Ein Text von F. Scott Fitzgerald (The Crack-up) kann uns helfen: „Der Prüfstein für eine erstklassige Intelligenz ist die Fähigkeit, zwei gegensätzliche Ideen im Kopf zu haben und weiter zu funktionieren. Man sollte zum Beispiel erkennen können, dass alles hoffnungslos ist und trotzdem entschlossen sein, etwas daran zu ändern“. Aktive Gesundheitsvorsorge heißt, mit dem Widerspruch zwischen der Hoffnung des Tages und dem Scheitern am Ende zu leben. Eine vita activa bedeutet, dem Verfall, um den Preis der eigenen Anstrengung, entgegenzuwirken. Peter Sloterdijk weiß: „Wir haben vergessen, dass es ein Privileg ist, uns anstrengen zu dürfen“. Wenn wir nicht wollen, dass uns unser Leben geschieht, müssen wir dagegenhalten und dieses Privileg wieder mehr nutzen.

Stiegen steigen ist keine Lösung
So zuträglich es ist, Stiegen gegen Lift zu tauschen handelt es sich um einen therapeutischen Ansatz. Diese tragen leider nicht weit. Das „Stiegen-steig-Erlebnis“ bleibt wie das Zahnputzerlebnis aus. Eine Sportart von „Nose to tail“, in ihrer Gesamtheit zu erleben, dafür Leidenschaft zu entwickeln, das trägt auf lange Zeit. Den passionierten Skifahrer, Tennisspieler, Tischtennisspieler, Tourengeher, Wanderer, … kann man nicht davon abhalten, seiner Leidenschaft nachzugehen. Dafür ist er bereit, in die Basics Ausdauer, Kraft, Koordination, Beweglichkeit und Schnelligkeit zu investieren.
Ausdauer. Herz-Kreislauftraining ist tatsächlich lebensverlängernd. Der gesundheitliche Nutzen von Ausdauertraining ist denkgroß.
Die Fakten:
- Die beste Möglichkeit der Gewichtskontrolle
- Das Herz-Kreislaufsystem wird trainiert
- Das Immunsystem wird gestärkt
- Die Ermüdungswiderstandsfähigkeit, physisch, wie psychisch, wird erhöht
In Österreich erkennt man, anders als am Äquator oder am Nordpol die Jahreszeiten tatsächlich am Wetter. Das beschert uns eine große Palette an Möglichkeiten die Ausdauer zu trainieren. Bei Hitze ist Radfahren und Schwimmen eine gute Option. Im Winter sind Langlaufen und Tourengehen angezeigt. Wandern, laufen, geht immer. Sport, regional und saisonal zu gestalten, steigert den Erlebniswert erheblich. Kritischer Erfolgsfaktor ist der Umfang. Jeder Schritt, jeder Tritt zählt. Es gilt das Motto; „Nicht die Strecke, sondern das Tempo tötet“. Damit wir dabei nicht „alt aussehen“, empfiehlt sich dringend Krafttraining.
Kraft. Dass wir den altersbedingten Kraftverlust spüren und immer mehr wahrnehmen, liegt an der gesteigerten Gesundheitserwartung. Während früher altern häufig mit Krankheit einherging, und beim Erkrankten der Kraftverlust weniger relevant war, erleben wir diesen heute bei bester Gesundheit. Ab dem 30. Lebensjahr büßen wir Muskelkraft ein. Kraft wird im Alter zum Alles-oder-Nichts-Faktor. Wir können unser Körpergewicht auf einem Bein heben, oder nicht. Ja bedeutet normales Stiegen steigen, nein, eine Einschränkung der Alltagsmobilität. Im Sport führt mangelhaftes Kraftniveau zur Einschränkung des Repertoires. Die Lieblingssportart der Österreicher, das Skifahren ist nicht erst seit dem Carven eine „Kraftsportart“. Aber auch Alltagssportarten wie Laufen und Wandern erfordern durch den Impact des Landens ein entsprechendes Kraftniveau zum Schutz der Gelenke. Anders als beim Ausdauertraining zählt nicht jede absolvierte Übung. Kritische Erfolgsfaktoren sind hier an erster Stelle die Intensität (unter 65 % der Maximalkraft keine Kraftsteigerung) und die Frequenz. Für den Kraftaufbau benötigt es jedenfalls drei Einheiten pro Woche. Richtige Übungsausführung ist ein wichtiger Faktor. Der Trainingserfolg hängt elementar davon ab, ob man diese Qualitätsfaktoren erfüllt.
Geschicklichkeit. Geschicklichkeit korreliert im hohen Ausmaß mit dem biologischen Alter. Die Wunderwaffe zur Schulung der koordinativen Fähigkeiten sind Sportspiele. Sie fordern uns auf hohem Niveau permanent heraus. Keine Situation wiederholt sich exakt. Immer muss man neue Lösungen für Bewegungsaufgaben finden. Und genau das ist der kritische Erfolgsfaktor zum Erhalt und zur Steigerung unserer Feinkoordination. Kreativ Lösungen für ständig neue Bewegungsaufgaben finden zu müssen bringt unsere Synapsen zum Knacksen. Es ist ein Wehrmutstropen, dass die großen Sportspiele leider nicht sehr alterstauglich sind. Tischtennis, Tennis, Beachvolleyball (ja Beachvolleyball) und vor allem Padeltennis sind hier echte Rettungsanker. Klettern und Tanzen sind lustbetonte Bringer. Als guten Geschicklichkeitsproviant sollte man jedenfalls Koordinationsübungen (Sprunggatter, Wackelgeräte, etc.) in den Trainingsalltag integrieren.
Der Neuheitsgrad der Übung oder der Übungsausführung ist der kritische Erfolgsfaktor. Ständig die neue Herausforderung zu suchen, gilt hier im Besonderen und kann als Parabel für erfolgreiches Altern gesehen werden.
Schnelligkeit. Die motorische Grundfähigkeit wird beim Training bei Hobbysportlern oft vernachlässigt. Das hat Gründe. Die klassischen Trainingsformen, Sprint- und Sprungformen bergen tatsächlich ein hohes Verletzungsrisiko. Wir haben in den letzten Jahren aber sehr viel dazugelernt und haben gute Übungsformen, um unsere Schnelligkeit zu konservieren. Sprünge sind an sich kein Problem, sondern die Landung, und die kann man schonend gestalten (z. B. erhöhte Landung). Mit Tappings und Dippings gibt es gute Optionen, bei geringem Verletzungsrisiko zu üben. Ein wichtiger Faktor ist Schnelligkeit allemal. Geht man ihrer verlustig, so büßen die schnellzuckenden Muskelfasern ihre Fähigkeit ein, was auch dazu führt, dass die Reizleitung über die Nerven langsamer wird und entsprechende Gehirnareale verkümmern. Flink sein hält uns schlau.
Beweglichkeit. Die Fakten sind klar: Große Bewegungsamplitude bedeute Jugend, kleine ist ein Zeichen des alternden Bewegungsapparats. Hier kann und muss man sich aktiv zur Wehr setzen. Stretching ist das Mittel der Wahl. Physiotherapie kann wertvolle Dienste leisten.
Resümee
Welches Investment man eingeht, um erfolgreich zu altern, ist eine ganz persönliche und tägliche Challenge. Muskeln auf Vorrat sind ein absolut sinnvolles Investment, denn: „Wer glaubt, keine Zeit für seine Gesundheit zu haben, wird früher oder später Zeit zum Kranksein haben müssen“, weiß ein chinesisches Sprichwort.
