Beinarbeit

Therapie bei Achillessehnenbeschwerden


Text: Jasmin Plöckinger

Sie ist die stärkste Sehne im menschlichen Körper – die Achillessehne. Und doch kann auch diese, vor allem beim Laufen, Übelastungsreaktionen zeigen und zu schmerzen beginnen. „Ah, des wird scho wieda“ und „Drauftrainieren“ sind hier eindeutig die falschen Devisen, denn so kann es zu chronischen Beschwerden kommen, bei welchen dann eine längerfristige Sportpause nicht mehr umgangen werden kann.

 

Koordination Lunges / Dehnen Wadenmuskulatur
Koordination Lunges / Dehnen Wadenmuskulatur

Anatomie und Pathologie

Die Achillessehne ist die Endsehne des Musculus Trizeps surae. Dieser besteht aus dem zweiköpfigen Wadenmuskel (M. Gastrocnemius) und dem darunterliegenden Schollenmuskel (M. Soleus). Im mittleren Bereich des hinteren Unterschenkels vereinen sich die drei Muskelanteile zu der gemeinsamen Achillessehne, welche dann weiter nach unten zieht bis sie am hinteren Fersenbein ansetzt.

Beschwerden bzw. Schmerzen in der Achillessehne sind meist die Folge von Überlastungen. Vor allem beim Laufen und bei Landungen wird die Achillessehne einer enormen Kraft ausgesetzt, die das Vielfache des eigenen Körpergewichtes ausmacht. Als Ursache der Beschwerden bzw. Überlastung werden verschiedene mögliche Faktoren betrachtet. Einerseits erhöhen zu intensive Trainingseinheiten mit zu kurzer Regeneration, falsches Schuhwerk, Vorfußlauf oder Fuß-/Beinachsenfehlstellungen die Belastung auf die Achillessehne. Weiters kommen Muskeldysbalancen/-schwächen vor allem der Gesäßmuskulatur oder des seitlichen Rumpfes als Schmerzursache in Frage, da diese für eine ausreichende Beinachsenstabilität verantwortlich sind. Auch Instabilitäten durch laxe bzw. in der Vergangenheit gerissene Bänder können Überlastungen der Sehne begünstigen.

Ein geläufiger Fehler ist, erste Symptome zu ignorieren, da anfangs die Schmerzen bei Bewegung noch besser werden bzw. sogar abklingen. Mit wiederkehrender Überlastung werden die Schmerzen jedoch kontinuierlich intensiver und hartnäckiger. Die Sehne zeigt wiederholt Entzündungszeichen, die Gleithülle um die Sehne (Peritenon) verklebt zunehmend und durch Einlagerungen kann es zu einer Verdickung der Sehne kommen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt nimmt die Physiotherapie eine wichtige Rolle im Heilungsprozess ein.

Therapie

Um den Heilungsprozess in Gang zu setzen, müssen die sportlichen Tätigkeiten, die für die Überlastung verantwortlich sind, umgehend pausiert werden. Als Alternativen zum Laufen werden Radfahren oder der Crosstrainer gut toleriert, da es hier weder zu Impacts noch zu einem massiven Zug auf die Achillessehne kommt. Nach einer anfänglichen Entlastung der Sehne wird in der Therapie der Fokus auf drei Säulen gelegt: Dehnen, Stabilisieren und (exzentrisch) Kräftigen.

 

Exzentrisches Training
Exzentrisches Training

Dehnen

Aufgrund der Schmerzen und der daraus resultierenden Schonhaltung kann es zu einer Schutzspannung der Wadenmuskulatur oder zu Verklebungen mit der Gleithülle der Sehne kommen. Dies erhöht wiederum die Spannung auf die ohnehin schon entzündete Sehne. Nach Abklingen der Akutphase wird mit Dehnübungen der Wade, bevorzugt statisch und zumindest eine Minute lang, begonnen. So kann sich der Tonus der Muskulatur verringern und die Sehne entlasten. Die lokale Durchblutung wird angeregt, Verklebungen gelöst und das Gleitverhalten der Sehne wieder verbessert.

Stabilisieren

Koordinationstraining sorgt für Stabilität des Fußes und der gesamten Beinachse. Begonnen wird mit einem Einbeinstand auf stabilem Untergrund. In weiterer Folge wird die Koordination mittels beidbeinigem bis hin zu einbeinigem Stand auf verschiedensten labilen Geräten geübt – als solche eignen sich sowohl eine zusammengerollte Decke, als auch zum Beispiel ein kleiner Holzblock, Kreisel oder Luftkissen. Die einzelnen Stufen können durch Zusatzaufgaben erschwert werden, wie zum Beispiel Augen schließen, einen Ball hochwerfen oder auf dem Boden dribbeln, Kniebeugen, Ausfallschritte oder im fortgeschrittenen Trainingsverlauf sogar Sprünge.

Der Kreativität sind hier wenig Grenzen gesetzt – solange das Koordinationstraining abwechslungsreich gestaltet wird und das Bein immer leicht arbeiten muss, um der Instabilität entgegenzuwirken, ist der Trainingsreiz optimal. Dies mindestens 10 Minuten lang, am besten täglich, dann werden die ersten Erfolge nicht lange auf sich warten lassen.

Kräftigen

Gekräftigt werden Sehnen vor allem mit exzentrischem Krafttraining (s. Seite 22). Hierbei muss sich der Muskel unter Anspannung langsam verlängern. Die Kollagenfasern in den Sehnen können sich richtig ausrichten und die Belastbarkeit wird erhöht. Durchgeführt wird dies bei der Achillessehne, indem man sich mit beiden Beinen in den Zehenstand hochdrückt, dann das beschwerdefreie Bein entlastet (abhebt) und die Ferse des betroffenen Beines langsam Richtung Boden absinken lässt. Zu Beginn erfolgt das Training sitzend oder stehend auf gerader Ebene, dann mit zunehmender Erhöhung der Zehen, um den Weg zu vergrößern (Zehenkeil oder an einer Stufe) und zum Schluss mit zunehmender Erhöhung des Zusatzgewichtes (Hantelscheiben, schwerer Rucksack, etc.). Weiters werden vorhandene Muskeldysbalancen mit einbeinigem/einseitigem Krafttraining ausgeglichen und allgemeine Muskelschwächen trainiert.

Weitere Maßnahmen

Begleitend zu den drei Therapiesäulen kommen verschiedene Weichteiltechniken, Laser- oder Ultraschallbehandlungen und Tapes zum Einsatz, um die Durchblutung und die Stoffwechselaktivität zu fördern und so den Heilungsverlauf zusätzlich positiv zu beeinflussen. Lymphdrainagen können den Abtransport der Entzündungsstoffe begünstigen. Gut gedehnt, gut stabilisiert und gut trainiert – mit diesen Maßnahmen werden die Achillessehnenbeschwerden kontinuierlich abklingen und es können schon bald wieder alle Alltags- und Sportbelastungen schmerzfrei – und vor allem standfest – absolviert werden.