Ski fahren? Sicher!

Unser Gefühl trügt. Wir fahren so sicher Ski, wie noch nie.


Text: Josef Wiesauer

Auf der Skiabfahrt von der Zwieselalm in Gosau kam ein Skifahrer schwer zu Sturz und zog sich dabei einen Schien- und Wadenbeinbruch, sowie eine Rissquetschwunde am Kopf zu.

Zum Unfallhergang: Bei schlechter Sicht und nur spärlich präparierter Piste in der Breite einer Ratrakspur kam der Verunfallte in den Neuschnee. Es fing ihm seinen 2,10 Meter langen Fischer Alusteel, der Marker Simplex Dreiecksbacken löste bei einem Kontakt mit einem Stein aus. Er kam zu Sturz. Der am Fangriemen hängende Ski traf ihn am Kopf, wodurch er eine klaffende, stark blutende Wunde auf der Stirn davontrug. Die Helfer der Bergrettung transportierten den Schwerverletzten mittels Ackja ins Tal. Anschließend wurden die Verletzungen im Spital versorgt.

 

Foto: Fischer Sport

 

In diesem Unfallbericht aus dem Jahre 1972 steckt fast die gesamte Geschichte der Entwicklung des alpinen Skilaufs in den letzten 50 Jahren, insbesondere jene Aspekte, die die Entwicklung der Sicherheit beim Skifahren betreffen. Bestens markierte, beschneite und präparierte Pisten sind heutzutage selbstverständlich. Netze an Gefahrenstellen sind Standard. Die Skier sind kürzer und in jeder Hinsicht besser geworden. Wir fahren bessere Ski, besser präpariert. Der damals revolutionäre Marker Dreiecksbacken ist heute nur mehr von musealer Bedeutung. Um mit Peter Handke zu sprechen, keine Sicherheitsbindung, sondern maximal der Versuch über eine Sicherheitsbindung. Wir haben technologisch hochwertige, bessere Bindungen, die besser eingestellt sind. Die Fangriemen sind längst dem Skistopper gewichen. Last but not least, wir tragen Helm. In Summe führen all diese Fakten dazu, dass dieser Unfall heute undenkbar ist. Wir stürzen wesentlich weniger und die Unfallfolgen bei einem Sturz fallen dramatisch geringer aus. Ganz nebenbei war ein Sturz zur damaligen Zeit unabhängig vom Verletzungsrisiko ein nachhaltiges Ereignis für den gesamten Skitag. Wenn man um 9.00 Uhr stürzte, war der selbstgestrickte Pullover von der Oma durchnässt und der Skifahrer den ganzen Tag patschnass und ihm saukalt.

 

Ski fahren? Sicher!

 

Mit der modernen Funktionsbekleidung wird selbst der kälteste Wintertag zum Erlebnis. Wir fahren viel bequemer Ski und vor allem viel sicherer als dazumal! Das oft zitierte Schlachtfeld Skipiste ist eine Mähr. Richtig ist: In absoluten Zahlen gibt es viele Skiunfälle. Der Grund dafür ist, dass noch nie so viele Leute, so viel Ski gefahren sind, wie heute. Die „Skier Days“ sind in den letzten Jahrzehnten explodiert. Die Leute haben mehr Freizeit und mehr Geld. Am Skitag selbst stehen wir wesentlich weniger lang beim Lift. Der Skitag enthält heute wesentlich mehr Schwünge, als noch vor Jahren. Das führt dazu, dass am Ende der Kraft oft zu viele Schwünge übrig sind. Und trotzdem, relativ gesehen, sind wir auf den Pisten so sicher unterwegs, wie noch nie.

 

Langfristiger Trend

 

Für das individuelle Risiko des Skiläufers bedeutet das, 1970 verletzte man sich alle 125 Tage einmal beim Lieblingssport, heute „braucht“ man dafür 1.700 Skitage. Allein seit der Jahrtausendwende haben sich die mean days between injury von ca. 700 auf 1.700 erhöht.

Die Fakten

Die Skisturzstudie des Österr. Skiverbands in Zusammenarbeit mit dem Institut für Sportwissenschaften in Innsbruck, zeigt 2017, dass sich die Sturzhäufigkeit pro Skitag von 2002 (0,75 Stürze pro Skitag) auf 0,36 im Jahr 2017 praktisch halbiert hat. Ältere Skifahrer stürzen weniger, verletzen sich aber häufiger. Frauen stürzen doppelt so oft wie Männer.

Faktoren, die das Sturzrisiko erhöhen sind: 

  • niedriges Alter
  • fortwährende Dauer des Skitags
  • Zeitspanne zur letzten Pause
  • mangelndes Fahrkönnen
  • riskante Fahrweise

Die Studie „aktuelles Unfallgeschehen auf österreichischen Pisten“ bringt die relevanten Daten zu Tage:

  • Mit 87 % ist der selbstverschuldete Sturz die häufigste Unfallursache
  • 8 % sind Folgen einer Personenkollision

Die Kernaussage der Studie: Das kalkulierte Verletzungsrisiko liegt bei 0,56 Verletzten pro Tausend Skitagen und damit um 50 % niedriger als vor zehn Jahren. Umgerechnet bedeutet das für das persönliche Risiko, dass sich ein Skifahrer, wenn er 14 Tage pro Saison seine Sportart ausübt, in 35 Jahren einmal verletzt.

Die Ursachen für die starke Abnahme des Verletzungsrisikos liegen auf der Hand: 

  • Qualität und Quantität der Pistenpräparierung in Verein mit der Beschneiung
  • bessere Technologie bei Ski, Schuh, Bindung und Stöcken
  • Helm und Protektoren
    etc., etc.

Der signifikante Rückgang zwischen den Saisonen 1997/9 und 2002/03 ist der Einführung und Verbreitung des Carving Skis geschuldet, der im Vergleich zu den traditionellen Skiern wesentlich kürzer ist. Insgesamt ist die weit verbreitete Meinung, durch das Carven hätten die Skiunfälle stark zugenommen, nicht haltbar. Richtig ist, dass sich die Verletzungsmuster deutlich verändert haben. Weniger Knochenbrüchen stehen mehr Kapsel-/Bandtraumen gegenüber und das Verletzungsrisiko oberhalb der Knie (Schultern, Rücken, Hand) ist gestiegen.

Statistik der verletzten Gelenke männlich / weiblich

Statistik der verletzten Gelenke

 

Zusammenfassend kann man feststellen, dass in den letzten Jahrzehnten an allen Stellschrauben erfolgreich gedreht wurde, um den Skilauf sicherer zu machen. In Übereinstimmung stellen alle Experten fest, dass á la longue zwei unkalkulierbare Risikofaktoren bleiben:

  • Das Wetter in Zusammenhang mit den Pistenbedingungen
  • Menschliches Unvermögen, sprich Wahrnehmungsfehler, Fehleinschätzung, Unaufmerksamkeit, also der Skifahrer selbst.

Eine Weltcupsaison ohne schwere Verletzung ist unser Anspruch!

Hannes Trinkl, Foto: Gepa
Foto: Gepa

Hannes Trinkl, FIS Direktor für Sicherheit

Dein Job ist der ewige Spagat zwischen attraktiver Streckenführung und maximaler Sicherheit für die Läufer. Wie schwierig ist das?
Spagat ja, die Priorität ist aber, die Läufer verletzungsfrei durch die Saison zu bringen.

Was sind die wesentlichen Fortschritte in Deiner Amtszeit?
Ich denke, wir sind mit den Sicherungsmaßnahmen neben der Piste auf einem Top-Level. Das ist ein ständiger Lernprozess, bei dem die Veranstalter unglaubliches leisten. Was die Absicherung der Pisten, Netze, etc. betrifft sind wir schon ganz weit. Auf der Piste selbst lernen wir auch von Jahr zu Jahr dazu. Nach den Trainern haben wir auch die Läufer miteinbezogen, was Kurssetzung, Sprünge, usw. betrifft. Auch hier sind wir auf einem guten Weg.

Deine Vision einer verletzungsfreien Saison scheint kühn. Kann das gelingen?
Man muss das Unmögliche wollen, um das Mögliche zu erreichen. Es gibt Risikofaktoren, die man nie ganz in den Griff kriegen kann. An erster Stelle steht hier das Wetter. Der Idealfall einer von oben bis unten eisigen, glatten Piste, bei guter Sicht, ist nur bei besten Witterungsverhältnissen möglich. Das steht nicht in unserer Macht.

Pistenhilfe

Vorstand Helmut Holzinger gibt „grünes Licht“ für einen „sicheren Start“ in die Wintersaison 2020/21

In unseren Skigebieten Höss und Wurzeralm wird das Pistengeschehen jährlich in Bezug auf Sicherheit evaluiert. In den letzten Jahren konnten wir die Skiunfälle unter ein Promille (im Verhältnis zu unseren Besuchern) senken. Gut bewährt sich unser „Pistenhilfe“. Zwei Instruktoren in gelben Jacken ermahnen Schnellfahrer bei rücksichtsloser Fahrweise, geben Hilfestellung am Steilhang oder für überforderte Familien. Ing. Helmut Holzinger, Vorstand der Hinterstoder-Wurzeralm Bergbahnen AG